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Unsere Vision
Der Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ und unsere Forschungsansätze gestalten sich multidimensional, vielschichtig und komplex, um valide Antworten auf die entscheidende Frage zu finden: Welche Effekte haben positive und negative Erwartungen von PatientInnen auf den Erfolg einer Behandlung?
Die Wirksamkeit von Behandlungen verbessern
Wir müssen im Detail verstehen über welche Mechanismen Erwartungseffekte wirken. Nur diese Erkenntnisse werden es langfristig erlauben, die Erwartungen der PatientInnen sinnvoll in Therapien mit einzubeziehen, ja, sie gezielt zu nutzen. Damit erweitern wir das therapeutische Behandlungsspektrum für Erkrankte. Wir sind überzeugt: Unsere Antworten werden dazu beitragen, das Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Therapie weiterzuentwickeln. Unsere Ergebnisse werden auch bei der Entwicklung neuer Arzneimittel sowie in der Kommunikation zwischen PatientInnen und Behandelnden wichtige Impulse liefern. Denn am Ende geht es allen an der Forschung und Therapie Beteiligten immer darum, die Behandlungen zum Wohl der PatientInnen wirksamer, verträglicher und persönlicher zu gestalten.
Positives Denken für den Therapieerfolg
Placebos waren im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wichtige Instrumentarien der Heilenden: Tinkturen, Wickel und Pflanzenextrakte wurden gezielt mit Ritualen verbunden, um den Leidenden zu helfen. Hoffnung, positives Denken und Vertrauen waren seit jeher unabdingbar mit dem Heilversuch verknüpft. Dass solche Effekte die Wirksamkeit medizinischer Behandlungen erheblich verbessern können, wusste bereits der griechische Philosoph Platon rund 400 Jahre vor Christus. In seinen Dialogen lässt er Sokrates auf die Frage von Charmides, ob er „ein Mittel wider das Kopfweh“ wisse, deutlich antworten: „… dass es ein Blatt sei, zu dem Mittel aber noch ein Spruch gehöre, und dass, wenn jemand diesen spreche, beim Gebrauch von jenem, das Mittel durchaus gesund mache; ohne den Spruch aber sei das Blatt nichts nütze.“
Die Kommunikation und der Kontext waren seit der Antike wesentliche Bestandteile der Heilbehandlung. Mit der Entdeckung der Antibiotika Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterte sich das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten allerdings immens. Die zunehmende biomedizinische Forschung verhalf der Medizin zu großen Behandlungserfolgen, von denen PatientInnen heute profitieren. Damit einher ging allerdings eine starke Fokussierung auf offensichtliche physiologische Mechanismen. Kontext, Kommunikation und Erwartungen waren in dieser Forschungsphase bis in die 1970er Jahre eher – zugegeben oftmals gar belächelte – Randphänomene.
Neue Erkenntnisse möglich
Dann aber gewann die Erkenntnis an Bedeutung, dass der menschliche Körper ein hochgradig vernetzter Organismus ist, in dem Botenstoffe, Zellen, Gewebe und Organe in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen. Nichts darf isoliert, sondern alles soll stets als Ergebnis von Regelkreisen und Rückkopplungen betrachtet werden.
Grundlegende Fragen blieben dennoch unbeantwortet: Welche biochemischen Mechanismen, welche Botenstoffe und Rezeptoren bewirken den Einfluss der Behandlungserwartung in welchen Hirnarealen und im Körper? Und wie interagieren diese Signalketten mit den Medikamenten und vermögen so die Wirksamkeit zu stärken oder zu schwächen? Welche Bedingungen helfen, Nebenwirkungen von Medikamenten zu reduzieren?
Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie und die Positronen-Emissions-Tomografie, neurophysiologische Methoden und ausgeklügelte standardisierte Studiendesigns ermöglichen jetzt, die komplexen psychoneurobiologischen Phänomene zu erklären.
Internationale Spitzenforschung in Placebo- und Erwartungseffekten
Deutschland nimmt international eine Spitzenposition in der Erforschung von Placebo- und Erwartungseffekten ein. Viele Projekte wurden bereits in den vergangenen Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, so auch jetzt der Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“. Unser Ziel ist, die äußerst komplexen Mechanismen von Erwartungseffekten von der molekularen bis zur systemischen Ebene mit modernsten wissenschaftlichen Methoden zu entschlüsseln, psychologische und neurobiologische Unterschiede zwischen einzelnen PatientInnen und Erkrankungen so exakt wie möglich zu verstehen und zu prüfen, wie diese Effekte etablierte pharmakologische und andere Behandlungsansätze optimieren können. Daraus sollen spezifische Behandlungsoptionen entwickelt werden. Das ist unsere Vision.