Jeder, der ärztlichen Rat sucht, kommt mit einer persönlichen Biografie und einer eigenen Geschichte aus Erfahrungen, Erwartungen, Lebensumständen in die Praxis.
Fast jeder Patient ist beim Arztbesuch aufgeregt, nicht so konzentriert wie üblich, und alle möglichen Gedanken und Befürchtungen schwirren einem im Kopf herum.
Prof. Sven Benson, Medizinische Psychologie Universität Duisburg-Essen
Welcher Patient* bin ich? Ängstlich, skeptisch, optimistisch, resigniert …
Jeder Mensch ist eine individuelle Persönlichkeit mit unverwechselbaren Charaktereigenschaften und Reaktionsmustern. Manche sind von Natur aus optimistisch und aufgeschlossen, während andere eher ängstlich und skeptisch sind. Solche Persönlichkeitsmerkmale sind zum Teil schon in unserem Erbgut festgelegt, formen sich aber auch durch Erziehung und Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens machen.
Jeder, der ärztlichen Rat sucht, kommt mit einer Biografie, einer eigenen Geschichte aus Erfahrungen, Erwartungen, Lebensumständen und eben Persönlichkeitszügen in die Praxis. In der Rolle als PatientIn zeigen sich bei den meisten Menschen „typische“ Verhaltensmuster. Je nach Typus sollte sich die Behandler-Patienten-Kommunikation gestalten und einer Therapie so zum deutlicheren Erfolg verhelfen.
Die Ängstlichen
Angst ist in einer Situation, in der die persönliche Gesundheit infrage steht, ganz natürlich. Der Ängstliche fürchtet jedoch jede Diagnose oder Behandlung. Pessimistisch rechnet er damit, dass eine Therapie starke Nebenwirkungen hat oder bei ihm gar nicht wirkt. Beim Gespräch mit TherapeutInnen ist der ängstliche Patient* unruhig, gestresst und angespannt. Darunter leidet die Aufmerksamkeit. Ängstliche PatientInnen nehmen wichtige Informationen oft nicht vollständig oder richtig auf. Sie interpretieren nicht nur das Gesagte, sondern auch Mimik und Gestik des Arztes oder der Ärztin in einem negativeren Sinne, als es möglicherweise tatsächlich gemeint war.
Wenn Sie persönlich glauben, dazu zu neigen, nehmen Sie besser eine vertraute Person mit zu einem Behandlergespräch. So können Sie sich später rückversichern, ob Ihre Wahrnehmung vielleicht doch zu negativ war.
Bei diesem PatientInnentyp bedarf es auf jeden Fall einer besonders einfühlsamen und behutsamen Aufklärung, die versucht, Bedenken auszuräumen und Sorgen zu nehmen. Verständliche Erklärungen ohne medizinische Fachtermini und aufmunternde Worte helfen. Vertraut der ängstliche Patient der Ärztin und den Empfehlungen schließlich, kann er eine positive Haltung zur Therapie einnehmen. Und diese Einstellung steigert den Erfolg der Behandlung.
Die Skeptischen
Dieser PatientInnentyp begegnet Ärztinnen und medizinischem Personal grundsätzlich mit Misstrauen. Aus früheren Erfahrungen haben sich bei ihm nur negative Details eingebrannt. Skeptische Patienten bezweifeln häufig die Kompetenz ihres Gegenübers. Ärztliche Auskünfte werden erst einmal infrage gestellt. Der Skeptiker hat sich im Vorfeld bereits ausführlich selbst informiert. Danach bewertet er die Aussagen des Arztes – und bezweifelt sie, wenn sie seinen Vorab-Infos widersprechen.
Sind Sie persönlich dieser misstrauische, skeptische Patient, dann sagen Sie das ruhig Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt oder dem Behandler. Das sollten Sie nicht verheimlichen. Das offene Gespräch ist dann viel leichter zu führen.
Eine gute Behandler-Patienten-Beziehung kann sich nur entwickeln, wenn es gelingt, Zweifel auszuräumen und die PatientInnen in die Entscheidung über die Behandlung mit einzubeziehen. Ausführliche Auskünfte und Erklärungen sowie die Betonung des Mitspracherechts bei Behandlungen tragen dazu bei, Skepsis ab- und Vertrauen aufzubauen.
Die Optimisten
Für Optimisten ist das Glas immer halb voll und ihre Gesundheit eigentlich okay. Wenn es doch einen Grund für den Praxis- oder Klinikbesuch gibt, gehen sie davon aus, dass es schon nicht so schlimm sein wird – oder die Ärztin eine wirksame Therapie empfehlen wird. Ein Optimist will oft gar nicht zu viele Details über seine Leiden erfahren, nach dem Motto: Das wird schon wieder. Sie neigen dazu, die ernsten Aspekte, dringende Ratschläge und Medikationen nicht allzu bedeutsam zu nehmen. Sollten Sie selbst so ein Typus sein, ist es ratsam, jemanden, dem Sie vertrauen, mit zu wichtigen Diagnose- und Therapiegesprächen mitzunehmen. Um eben auch die andere kritischere Seite, die man als Optimist leicht verdrängt, zuzulassen.
Beim optimistischen Patienten bestehen die besten Chancen, dass eine Therapie sehr gut wirkt. Denn man kann, ohne dass es bewusst geschieht, auf die heilende Wirkung der positiven Erwartung setzen. Ein Behandler muss hier wenig Überzeugungsarbeit leisten, höchstens deutlich machen, dass der Optimist eine verordnete Therapie auch bis zum Ende durchhalten muss und nicht schon bei leichter Besserung sagt: „Ist ja alles wieder in Ordnung.“
Die Resignierten
Menschen mit anhaltenden Beschwerden, für die Behandler keine konkrete Ursache finden oder keine ausreichende Hilfe anbieten können, resignieren irgendwann. Das ist verständlich. Die Achterbahn aus Hoffnung und Enttäuschung bei jedem Therapieversuch macht es diesem Patienten schwer, positiv gestimmt zu bleiben. Die Erwartung: „Das wird ja doch wieder nichts“ wirkt wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, tritt also ein, weil man daran glaubt, dass sie eintritt, und sich auf Details fokussiert, die diesen Glauben bestätigen. Ohne Zuversicht wirken Therapien dann aber tatsächlich schlechter, als sie es eigentlich sollten. Auch hier ist es ratsam Ihrem Behandler klar zu sagen, wie oft Sie bereits in einem Wartezimmer auf Linderung gehofft haben, dass Sie enttäuscht und hoffnungslos sind. Dann kann der Arzt oder die Ärztin ganz anders auf Sie persönlich eingehen und versteht Ihre Resignation besser.
Um aus dem Teufelskreis von negativer Erwartung und erfolgloser Therapie herauszukommen, sollte ein resignierter Patient zusätzlich Hilfe für seine psychische Verfassung in Anspruch nehmen und auch danach fragen – und dann mit neuem Mut sein körperliches Leiden bekämpfen. Viele Kliniken bieten diese Unterstützung an. Das ist sehr hilfreich und ein wichtiger Baustein der eigentlichen Therapie des Leidens.
Vielleicht sind Sie auch eine Mischung aus all diesen Typen, oder Sie schwanken zwischen mehreren Typen hin und her? In jedem Fall haben Sie hoffentlich einige Denkanstöße und ein paar nützliche Tipps für Ihren nächsten Arztbesuch mitnehmen können.