Wie können wir BehandlerInnen die Erwartungen der PatientInnen so ausrichten, dass sie positiv und zuversichtlich an ihre Schmerzbehandlung herangehen? Wie können die PatientInnen selbstwirksam ihre Schmerzbehandlung unterstützen? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich Privatdozentin Dr. Regine Klinger am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Privatdozentin Dr. Regine Klinger

Privatdozentin Dr. Regine Klinger, Psychologische Leiterin des Bereichs Schmerzmedizin und Schmerzpsychologie der Anästhesiologie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf

Eine positive Behandlungserwartung kann die Selbstwirksamkeit von PatientInnen stärken und maßgeblich zur Schmerzlinderung beitragen.

Privatdozentin Dr. Regine Klinger, Psychologische Leiterin des Bereichs Schmerzmedizin und Schmerzpsychologie der Anästhesiologie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf

Ich bin Psychologische Leiterin des Bereichs Schmerzmedizin und Schmerzpsychologie der Anästhesiologie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE). Im UKE haben wir einen großen Bereich zur Versorgung chronischer Schmerzen. Hier behandeln wir PatientInnen mit z.B. chronischen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, postherpetischen Neuralgien, chronisch komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS), Fibromyalgie oder chronischen rheumatischen Erkrankungen. In unserer interdisziplinären, multimodalen Schmerzambulanz und auch in unserer UKE-Schmerztagesklinik erlernen die PatientInnen, ihre Schmerzmedikamente zu optimieren, indem sie schmerzpsychologische Techniken kennenlernen und selbstwirksam deren Effekte noch verstärken. Die PatientInnen bekommen viele Informationen und lernen, ihre Schmerzen besser verstehen zu können und gezielt ihr körpereigenes schmerzhemmendes System zu aktivieren. Hierbei spielen Erwartungen an ihre Schmerzbehandlung eine bedeutende Rolle.

Wir behandeln auch akute postoperative Schmerzen. Akute Schmerzen können sehr unterschiedlich erlebt werden, das hängt von vielen psychischen, mentalen Einflussfaktoren ab, z.B. der Aufmerksamkeit, der Angst vor den Schmerzen und vor dem weiteren Verlauf, wie alles wird und wie katastrophisierend die Betroffenen darüber denken. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Begegnung mit dem Behandler oder der Behandlerin, die diese Faktoren maßgeblich beeinflussen können, z.B. indem sie empathisch auf die PatientInnen eingehen.

Einen großen Teil meiner Arbeitszeit widme ich auch der Forschung. Als psychologische Schmerztherapeutin einerseits und Schmerzforscherin andererseits interessieren mich und mein Team vor allem die vielen spannenden Fragen, wie Betroffene von Schmerzen selbst etwas tun können, um ihr schmerzhemmendes System „in Gang zu setzen“:

  • Wie können wir BehandlerInnen die Erwartungen der PatientInnen so ausrichten, dass sie positiv und zuversichtlich an ihre Schmerzbehandlung herangehen?
  • Wie können die PatientInnen selbstwirksam ihre Schmerzbehandlung unterstützen und dadurch ihre Zuversicht an einen guten Verlauf der Behandlung weiter stärken?
  • Können zusätzliche Symbole, z.B. Placebos, von denen die PatientInnen wissen, dass es Placebos sind, diese Selbstwirksamkeit intensivieren?

Mit meiner Forschung möchte ich diese Fragen unbedingt beantworten. Ich bin überzeugt, dass wir auf diesem Weg die Behandlung chronischer, aber auch akuter Schmerzen nach einer Operation weiter verbessern können. Ich freue mich über jeden Patienten und jede Patientin, der oder die diese Prinzipien versteht und anwenden lernt.

Ich habe an der Universität Trier den Diplomstudiengang in Psychologie absolviert, im Anschluss die Weiterbildung in Klinischer Verhaltenstherapie und bin seit 1999 als Psychologische Psychotherapeutin approbiert. Als spezialisierte Weiterbildung habe ich bei der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung die Spezielle Schmerzpsychotherapie abgeschlossen. Ich habe als leitende Psychologin sowohl stationäre als auch mehrere ambulante Schmerztherapie-Einrichtungen aufgebaut. Meine Schmerzforschung habe ich immer parallel zu der klinischen Tätigkeit durchgeführt, sie ist von daher sehr an den klinischen Bedarfen der PatientInnen ausgerichtet. Seit 2011 bin ich als Privatdozentin an der Universität Hamburg tätig.

PD Dr. Regine Klinger: Schmerz und Schmerztherapie

Was mich persönlich bewegt

Wie ich mich auf den Bereich chronischer Schmerz und Schmerztherapie festgelegt habe.
Im Studium habe ich mich besonders für das Thema Medizinische Psychologie interessiert. Das Zusammenwirken körperlicher und psychologischer Faktoren bis auf die Ebene der Körperzellen fasziniert mich bis heute. Ebenso spannend finde ich, dass der Organismus Schmerzen lernen und ein Schmerzgedächtnis ausbilden kann. Für viele PatientenInnen wirkt das am Anfang der Behandlung unwirklich, weil sie ihre Schmerzen 1:1 als Ausdruck einer Verletzung oder Krankheit betrachten. Im Lauf der Behandlung erkennen sie dann, dass Schmerzerleben mehr ist als nur die Verletzung. Sie lernen, ihre Schmerzen zu verstehen, mit ihnen umzugehen und sie sogar zu verringern. Sie lernen, wie sie Schmerzen verlernen können. Diese Momente bewegen mich persönlich, und ich möchte solche Augenblicke auch weiterhin genauer unter die Lupe nehmen und erforschen. Die Fragen, wie Betroffene mit ihrer eigenen Selbstwirksamkeit Schmerzerleben verändern können, lassen mich nicht los.

Warum die Placeboforschung für mich so faszinierend ist.
Mein Interesse an der Placeboforschung begann mit meiner beruflichen Laufbahn in der Schmerztherapie. Ich begann diese in der damals neu etablierten Schmerzambulanz an der Uniklinik in Lübeck in der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie. Bei meiner Zusammenarbeit mit den AnästhesistInnen in der Schmerzambulanz beobachtete ich, wie unterschiedlich ein und dasselbe Schmerzmedikament wirkte, je nachdem, welcher Arzt oder welche Ärztin es dem Patienten oder der Patientin verordnete. Nach und nach fand ich heraus, dass diese unterschiedliche Wirksamkeit von mehreren Faktoren abhing: 1. wie das Schmerzmedikament den PatientInnen erklärt wurde, 2. in welchem Kontext die PatientInnen ihre Medika-mente einnahmen, also ob bewusst und mit Zeit oder „hopplahopp“ nebenbei, und 3. welche Vorerfahrungen die PatientInnen mit Medikamenten gemacht hatten. Als ich mich später mit dem Lernen und Verlernen von Schmerzen befasste, traf ich auf das Thema „Analgetischer Placeboeffekt“. Die Faktoren, die ich bei meinen KollegInnen bei der Medikamentenverschreibung beobachtet hatte, also die verschiedenen Informationen zu einem Medikament, der Kontext, in dem sie eingenommen werden, und die Vorerfahrung mit Medikamenten, sind Faktoren, sind alles Einflüsse, die den Placeboeffekt ausmachen. Sie lenken die Erwartung der PatientInnen an die Wirksamkeit der Schmerzmittel in eine positive Richtung. Durch die eigene Kraft der Erwartung können PatientInnen lernen, Placeboeffekte zusätzlich zu ihren Medikamenten auszulösen.

Was mir Freude im Leben bereitet.
Die Verbindung meiner klinischen Arbeit mit der Möglichkeit, diese großartigen Forschungsthemen der Behandlungserwartung – des Placeboeffekts –, der Selbstwirksamkeit bei Schmerz zu bearbeiten, bereitet mir große Freude, und ich erlebe meine Arbeit als positive Herausforderung. Die Zusammenarbeit in unserem SFB-Forschungsverbund ist eine wunderbare Bereicherung. Ich schätze ebenso mein großartiges Forschungs- und Klinik-Team. Durch den Zusammenhalt bringt die oft schwere Arbeit immer Spaß, und ich genieße es, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Trotz aller Arbeit: Die Familie ist für mich das Wichtigste. Im privaten Bereich liebe ich es, für andere zu kochen und die Speisen gemeinsam in lustiger, geistreicher und geselliger Runde zu genießen. Ich gehe sehr gern am Wasser spazieren und versuche, regelmäßig zu joggen, wenn es gelingt, dann freue ich mich sehr!

*Nach Rücksprache mit Patientinnen, Patienten und Vertretern von Patientenorganisationen haben wir uns entschieden, für die Texte, die sich direkt an Patienten wenden, in der Ansprache die weibliche und männliche Form oder ein großes Binnen-I anzuwenden. Ist dies nicht sinnhaft, haben wir zugunsten der besseren Verständlichkeit und des Leseflusses auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.