Wie stark die Pandemie PatientInnen mit chronischen Schmerzen beeinträchtigt, untersuchte eine ForscherInnengruppe um Ulrike Bingel, Professorin für klinische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Essen, die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“ (SFB TRR 289) Erwartungseffekte bei medizinischen Behandlungen untersucht.
Die WissenschaftlerInnen befragten 197 PatientInnen des Essener Zentrums für Schmerzmedizin zu Beginn der Coronapandemie– ein erstes Mal zwischen April und Mai 2020 und ein zweites Mal zwischen August und September 2020. Die Forschungsfragen der Studie, die vom SFB und der Stiftung Universitätsmedizin gefördert wurden, waren:
Beeinflusst die Covid-19 Pandemie chronische SchmerzpatientInnen besonders? Kann eine negative Erwartungshaltung die Schmerzintensität verstärken?
Die psychosozialen Stressfaktoren waren allgegenwärtig: Lockdowns, weniger Bewegungsfreiheit im sozialen Leben, Kontrollverlust und Einsamkeit, aber vor allem Sorgen wegen der Einschränkung der ambulanten und stationären Versorgung bei PatientInnen, kein Rehasport und eingeschränkte Möglichkeiten der Physiotherapie. Oft konnten nötige Therapien während der Pandemie nicht durchgeführt werden.
Wissenschaftlich ist bereits vielfach nachgewiesen, dass psychosoziale Faktoren und eine negative Erwartungshaltung Schmerzen verstärken können.
39 % der befragten Essener SchmerzpatientInnen gaben im Frühjahr 2020 an, dass ihre Schmerzen mit der Pandemie stärker und die Einschränkungen belastender geworden seien, immerhin 32 % waren es noch im Herbst 2020. Es zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen vermehrten Sorgen über die Gesundheit sowie den wahrgenommenen Einbußen der Lebensqualität auf der einen Seite und stärkeren Schmerzen auf der anderen Seite. Es wird deutlich, dass die Pandemie durch negative Erwartungen die Symptomatik bei PatientInnen mit chronischen Schmerzen, die bereits zuvor durch hohe Schmerzintensitäten belastet waren, besonders stark verstärkten.
„Nach diesen neuen Erkenntnissen sollten wir ein besonderes Augenmerk auf diese vulnerable PatientInnengruppe legen und zusätzliche Versorgungsangebote machen“, fordert Dr. Diana Müßgens von der Abteilung für universitäre Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Essen. Eine auch kurzfristig ermöglichte psychologische Unterstützung sowie digitale und videogestützte Formate, die sogar im Lockdown oder bei eingeschränkter Mobilität möglich sind, könnten die Betreuung deutlich verbessern.
Die vollständige Publikation zu diesem Thema, die in der nächsten Ausgabe des European Journal of Pain erscheinen wird, können Sie entweder online hier lesen oder als PDF hier downloaden.