Pessimistische Erwartungen, ob eine Psychotherapie hilfreich ist, sind bei Patienten und Patientinnen nicht selten – und sie vermögen den Erfolg einer Therapie zu beeinträchtigen. Doch wie können Psychotherapeuten und Therapeutinnen diese Bedenken verändern? Dieser Fragestellung widmete sich das Forscherteam Prof. Winfried Rief und Anna Seewald von der Universität Marburg. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in Clinical Psychological Science publiziert und in Nature Reviews Psychology kommentiert.
„Wärme und Kompetenz von Therapeuten und Therapeutinnen sind entscheidend für die Veränderung negativer Therapieerwartungen“, fasst die Psychologin Anna Seewald von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Marburg das Ergebnis zusammen. In einer Online-Studie induzierten Anna Seewald und Prof. Winfried Rief negative Erwartungen bei Studienteilnehmenden: Sie hörten einer skeptischen Patientin zu, die von einer schwachen Studienlage und geringer Effektivität der Psychotherapie bei der Bewältigung von Stress erzählte. Im nächsten Schritt sahen sich die Teilnehmenden dann ein Video an, in dem ein Therapeut einer Patientin positive Informationen über die Effektivität von Psychotherapie bei Stress vermittelte. Dabei wurde die emotionale Wärme der Kommunikation und die Ausstrahlung der Kompetenz des Therapeuten variiert. Nach den Videos gaben die Teilnehmenden ihre Erwartung darüber ab, ob eine Psychotherapie ihnen helfen könnte. Die anfänglich negative Erwartung wurde am besten verändert, wenn der Therapeut im Video hohe Kompetenz vermittelte und eine starke Wärme ausstrahlte. „Dieses Ergebnis kann Therapeuten und Therapeutinnen eine hilfreiche Verhaltensrichtlinie aufzeigen, wenn sie Patienten mit einer negativen Erwartungshaltung gegenübertreten“, erklärt Anna Seewald.
Prof. Ulrike Bingel, Neurologin am Universitätsklinikum Essen und Sprecherin des Sonderforschungsbereichs SFB/TRR 289 Treatment Expectation, betont, dass diese Forschungsergebnisse nicht nur für die Psychotherapie relevant, sondern auch in anderen Bereichen der Medizin von großer Bedeutung sind, „denn negative Erwartungen, Ängste und Sorgen spielen bei vielen Patientinnen und Patienten mit chronischen oder schweren akuten Erkrankungen eine große Rolle“.
Weiterführende Forschung ist nach diesen spannenden neuen Erkenntnissen geplant.
Eine deutscher Artikel zu dieser Studie kann hier nachgelesen werden.