Vorerkrankungen, Medikamente, Allergien – aber auch die eigenen Sorgen, Befürchtungen und Hoffnungen: Je mehr Informationen Ärzte und Ärztinnen über ihre Patienten haben, umso besser können sie ihnen helfen. 

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Die richtige Diagnose und individuelle Therapieempfehlungen hängen maßgeblich von den Informationen ab, die ein Patient oder eine Parientin der Behandlungsperson über sich selbst gibt.

Nur wenn Ihr Arzt Ihre Sorgen und Bedenken kennt, kann er diese ausräumen. Und dann kann die Therapie, wenn sie mit einer positiven Erwartung bei Ihnen verknüpft ist, auch besser wirken.

Prof. Ulrike Bingel, Leiterin der Schmerzambulanz Universitätsmedizin Essen und Placeboforscherin

Was ein Arzt oder eine Ärztin von mir wissen sollte

Für den Arzt und die Ärztin Ihres Vertrauens sollten Sie als Patient und Patientin wie ein offenes Buch sein. Je mehr die Behandlungsperson über Sie persönlich und Ihr Krankheitsgeschehen weiß, umso größer ist die Chance, dass sie auch bei komplexen Gesundheitsproblemen einen individuell passenden Behandlungsansatz für Sie findet. Dieser Zustand stellt sich vermutlich nicht gleich beim ersten Termin ein.

Wer erstmals in eine Praxis kommt, füllt meist schon im Wartezimmer einen Fragebogen mit allgemeinen Gesundheitsinformationen aus. Manche dieser Anamnesebögen sind sehr ausführlich und ersetzen die genaue Schilderung der Krankengeschichte beim Arzt-Patienten-Gespräch. Arzt oder Ärztin und Patient oder Patientin können sich dann gleich mit den aktuellen Beschwerden befassen. Oder Behandelnde nehmen die Angaben als Grundlage für wichtige Nachfragen, etwa zur familiären Häufung bestimmter Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder Krebs.

Standardfragen und persönliche Bedenken

Häufig schon im Vorfeld erfragt werden chronische Erkrankungen, frühere Operationen, die derzeit eingenommenen Medikamente und bekannte Allergien. Ob jemand raucht oder eine Schwangerschaft vorliegt, gehört meist auch zu den Standardfragen. Die Versicherungsart und die Kontaktdaten – auch die von der Hausärztin – werden dort ebenfalls erfasst und vom Praxisteam in die Patientenakte übertragen. Viele Infos haben Ärztinnen oder Therapeuten also schon, bevor sie ihrer Patientin oder dem Patienten im Sprechzimmer erstmals persönlich gegenüberstehen.

In dem Beitrag: „Tipps für Ihr Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt“ lesen Sie, warum Ihre Behandlungsperson eine Menge über Sie und Ihre Beschwerden erfahren sollte und wie Sie sich darauf vorbereiten können. Ihr Hausarzt kennt Sie vielleicht schon viele Jahre, eine Fachärztin, die Sie zum ersten Mal aufsuchen, weiß natürlich viel weniger. Viele Details mögen Ihnen zunächst unwichtig erscheinen, sind für den Arzt oder die Ärztin dennoch von Bedeutung.

Aber auch die Menschen in der Praxis werden Ihnen viele Fragen stellen. Das bedeutet, dass Sie eine Menge an Informationen parat haben sollten. In dem Kapitel: „Wie bereite ich mich auf ein Gespräch mit meinem Arzt oder meiner Ärztin vor?“ geben wir Ihnen dazu viele Tipps. Dazu gehört unter anderem:

  • Welche Fragen haben Sie?
  • Welche Sorgen lassen Sie nachts wach liegen?
  • Was liegt Ihnen auf der Seele, aber Sie tun sich schwer, darüber zu sprechen?
  • Überlegen Sie vorab, wie Sie diese Themen in einem vertrauensvollen Rahmen dennoch ansprechen können.
  • Berichten Sie auch von vielleicht negativen Erfahrungen, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben.
  • Nur wenn der Arzt oder die Ärztin von Ihren Erfahrungen oder Bedenken weiß, kann die Person verstehen, warum Sie vielleicht frustriert sind, und auf Ihre Befürchtungen eingehen.

Das erste Gespräch

Im Gespräch sollte der Arzt oder die Ärztin möglichst viel über Ihre Beschwerden erfahren, die der Grund Ihres Besuchs sind: Seit wann die Beschwerden bestehen, wie häufig sie auftreten und in welchen Situationen, wie sich z.B. begleitende Schmerzen beschreiben lassen, ob das Missempfinden den Alltag oder Freizeitaktivitäten beeinträchtigt oder eine starke psychische Belastung für Sie bedeutet.

Für einen Therapievorschlag, den Sie als Patientin oder Patient gut annehmen können, sollte Ihre Ärztin unbedingt erfahren, wie Sie zu bestimmten Behandlungen oder pharmakologischen Wirkstoffen stehen, welche Vorerfahrungen Sie damit gemacht haben und vor allem, welche Bedenken oder Zweifel Sie plagen. Wer grundsätzlich skeptisch gegenüber pharmazeutischen Pillen eingestellt ist oder einfach keine weitere Tablette in seinem Medikationsplan haben will, wird die neue Verschreibung vielleicht gar nicht einnehmen. Wenn Sie die effektivste Behandlung innerlich ablehnen und nicht wahrnehmen, ist nichts gewonnen.

„Nur wenn Ihr Arzt oder Ihre Ärztin diese Sorgen und Bedenken kennt, kann er oder sie sie ausräumen und Ihnen ganz genau erklären, warum dieser Behandlungsansatz der Richtige für Ihre individuelle Situation ist, und dann kann diese Therapie, wenn sie mit einer positiven Erwartung bei Ihnen verknüpft ist, auch besser wirken“, erklärt Prof. Ulrike Bingel, die an der Universitätsmedizin Essen die Schmerzambulanz leitet und seit vielen Jahren zum Thema Placeboeffekt intensiv forscht.

Offenheit zählt

Der Arzt oder die Ärztin sollte von Ihnen aber auch erfahren, ob Sie schon etwas auf eigene Faust gegen die Beschwerden unternommen haben, etwa regelmäßig Schmerztabletten oder andere frei verkäuflichen Arzneien einnehmen. Um Wirkungen und Wechselwirkungen abschätzen zu können, ist es wichtig, dass Ihr Arzt auch von solchen Behandlungen weiß. Scheuen Sie sich also nicht, diese Informationen weiterzugeben. „Das Schlimmste ist, wenn jemand Angst hat, seinem Arzt die Wahrheit zu sagen, dass er ein Mittel gar nicht einnimmt, weil er Nebenwirkungen befürchtet. Ein Gesprächsangebot, in welcher Lage auch immer, ist deshalb extrem wichtig“, weiß der medizinische Psychologe Prof. Sven Benson.

Es lohnt sich, ehrlich über sich selbst zu sprechen

Manches eigene Verhalten, das der Gesundheit abträglich ist, würden wir in der Arztpraxis gern verschweigen und möglichst nicht darauf angesprochen werden. Starkes Übergewicht ist nun nicht zu übersehen, aber ungesunder Alkoholgenuss oder zwei Päckchen Zigaretten täglich sind weniger offensichtlich. Auch von nächtlichen Atemaussetzern oder Sexualstörungen erfährt der Arzt und die Ärztin nur, wenn Sie offen darüber sprechen. Und manche Beschwerden erscheinen furchtbar peinlich. Man sollte trotzdem ehrlich über sich sprechen und daran denken, dass körperliche Peinlichkeiten für jeden Arzt und jede Ärztin Routine sind. Gleichzeitig können gerade die unangenehmen Informationen besonders wichtig für das weitere Vorgehen sein. Vertraulich sind Ihre Informationen ohnehin, weil alle Behandelnden der Schweigepflicht unterliegen.

Jedes Gespräch, jede Information ist wichtig

Sven Benson, Professor für Medizinische Psychologie an der Universität Duisburg-Essen, appelliert umgekehrt auch an die Ärztinnen und Ärzte, besser zuzuhören: „Wenn eine Patientin oder ein Patient viel redet, unterbrechen Ärzte häufig sehr schnell. Das sicher dem Zeitmangel geschuldet, aber nicht gut. Aufmerksamkeit und offene Fragen sind hilfreich, denn manche Menschen erzählen zunächst viel, was vielleicht nicht ganz bedeutsam ist, haben aber ein ganz anderes Problem. Für die ist diese kommunikative Aufwärmphase ist wichtig.“

Über ihr seelisches Befinden sprechen die wenigsten Patientinnen und Patienten von sich aus, jedenfalls nicht gern bei der Haus- oder Fachärztin. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Und es ist auch nur allzu verständlich, wenn Sie gar nicht auf die Idee kommen, dass ein Hautausschlag, Rückenschmerzen oder Herzrasen mit finanziellen Sorgen, beruflicher Überforderung oder einem Todesfall in der Familie zu tun haben könnten. Geschulte Ärztinnen und Ärzte wissen das und fragen nach möglichen seelischen und familiären Belastungen.

Offene Antworten können den medizinischen Rat in eine ganz andere und wahrscheinlich bessere Richtung lenken. Sie können selbst dazu beitragen, dass Ihr Arzt Ihnen helfen kann! Nehmen Sie sich diese Chance nicht. Denn je vertrauensvoller Ihr Verhältnis zu Ihrem Arzt ist, desto positiver gehen Sie in eine Therapie und einen Heilungsprozess. Das sollte vor allem bei Ihrer Hausärztin der Fall sein, die ja beurteilt, ob Sie zu einem Facharzt zur weiteren Diagnose und Behandlung sollten, und die somit viele Weichen für ihre Gesundheit stellt. Aber auch wer chronisch krank ist und vielleicht sogar über Jahre immer wieder betreut und behandelt werden muss, sollte dieses Vertrauensverhältnis aufbauen.

Lesen Sie auch das Interview mit Prof. Sven Benson: "Erwartungen können die Wirkung von Schmerzmedikamenten verdoppeln"

Auf der Internetseite www.washabich.de finden Sie viele weitere Hinweise und Checklisten. Einen Leitfaden für den Arztbesuch können Sie als Broschüre kostenlos hier downloaden.

Unsere Bitte

Erzählen Sie uns Ihre persönliche Geschichte mit dem Placeboeffekt! Medizin lebt auch von Erzählungen. Deshalb sammeln wir für den Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ die vielfältigen Erfahrungen von PatientInnen mit ihren eigenen Erwartungen. Näheres finden Sie hier.

*Nach Rücksprache mit Patientinnen, Patienten und Vertretern von Patientenorganisationen haben wir uns entschieden, für die Texte, die sich direkt an Patienten wenden, in der Ansprache die weibliche und männliche Form oder ein großes Binnen-I anzuwenden. Ist dies nicht sinnhaft, haben wir zugunsten der besseren Verständlichkeit und des Leseflusses auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.