Wie beeinflussen Behandlungserwartungen den Therapieerfolg bei psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen? Wie gelingt es, diese Erwartungen zum Nutzen der Betroffenen zu verändern? Und wie können wir Patienten und Patientinnen in unsere Forschung einbinden, damit diese besonders wirkungsvoll und alltagsrelevant wird? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich Prof. Meike Shedden Mora an der Medical School Hamburg

Prof. Meike Shedden Mora

Prof. Meike Shedden Mora, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Medical School Hamburg und Projektleiterin des SFB/TRR289 in Projekt Z02

Gemeinsam mit Patientinnen und Patienten zu forschen heißt, neue Perspektiven zu gewinnen, die die Wissenschaft allein niemals finden könnte. Das empfinde ich als außerordentlich bereichernd.

Prof. Meike Shedden Mora, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Medical School Hamburg und Projektleiterin des SFB/TRR289 in Projekt Z02

Ich bin Professorin für Klinische Psychologie an der Medical School Hamburg. Im SFB289 leite ich gemeinsam mit Winfried Rief und Harald Engler das zentrale wissenschaftliche Projekt Z02. Unser Projekt Z02 vernetzt alle anderen Projekte miteinander, indem wir die standardisierte Erfassung von Fragebögen und biologischen Parametern bei mehreren tausend PatientInnen und gesunden Personen organisieren.

Besonders wichtig ist mir die Leitung unseres SFB-übergreifenden Patientenbeirats, der unsere Forschung aus der Perspektive Betroffener mitgestaltet und inspiriert. Ich bin sehr dankbar dafür, wie viel ich bereits im Austausch mit den ErfahrungsexpertInnen dazulernen durfte.

Als erfahrene Psychotherapeutin weiß ich, wie wichtig es ist, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen, um seine Erlebenswelt wirklich zu verstehen und helfen zu können. Diesen Perspektivwechsel lebe ich auch als Wissenschaftlerin, da viele meiner Forschungsprojekte interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Medizin und Psychologie angesiedelt sind. Dabei interessieren mein Team und mich besonders folgende Forschungsfragen:

  • Wie kann man Behandlungserwartungen gut erfassen, und wie beeinflussen sie den Behandlungserfolg bei psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen?
  • Kann man durch eine gezielte Veränderung von Erwartungen den Behandlungserfolg optimieren?
  • Warum sind manche Menschen besonders durch anhaltende Körperbeschwerden belastet, und wie kann man ihnen helfen?
  • Wie können wir unsere Forschung zu Behandlungserwartungen durch die Einbindung von PatientInnen besonders wirkungsvoll und alltagsrelevant gestalten?

Studiert habe ich an der Universität Marburg und in Turin (Italien). Meine Promotion und die Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin absolvierte ich parallel in Marburg. Danach folgten Stationen am Elbe Klinikum Stade, der Universität Hamburg und viele Jahre an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, wo ich 2019 habilitierte. Seit 2021 habe ich eine Professur für Klinische Psychologie an der Medical School Hamburg. In allen beruflichen Phasen war und bin ich gerne international unterwegs: in Forschungs- und Lehraufenthalten in Auckland (Neuseeland), Sydney (Australien) oder San José (Costa Rica).

Prof. Meike Shedden Mora: das faszinierende Zusammenspiel körperlicher und psychischer Prozesse

Wie ich als klinische Psychologin und Psychotherapeutin zur Placeboforschung gekommen bin.
Mich fasziniert schon lange das Zusammenspiel zwischen Körper und Psyche. Bereits in meiner Diplomarbeit habe ich herausgefunden, dass die individuelle Krankheitswahrnehmung den Erfolg von Herzoperationen vorhersagen kann. Mein Doktorvater Winfried Rief hat mich dann in die „Placebo-Welt“ mitgenommen. Als ich zum ersten Mal gehört habe, dass ein Großteil der Wirkung von Antidepressiva durch den Placeboeffekt zustande kommt, war meine Begeisterung entfacht.

Da ich auch viel zu anhaltenden Körperbeschwerden forsche, lerne ich immer wieder PatientInnen kennen, deren Symptombelastung sich nicht alleine durch die Schwere ihrer Erkrankung erklären lässt. Hierbei und in der Placeboforschung geht es nie um ein „Entweder–Oder“, sondern um die spannende Frage, wie körperliche und psychische Prozesse zusammenspielen.

Warum die Placeboforschung für mich so faszinierend ist.
Mich fasziniert besonders der Perspektivwechsel auf Behandlungen: Statt beispielsweise eine Medikamentenrezeptur minimal zu optimieren, kann es so viel effektiver sein, mit den PatientInnen über ihre Erwartungen zu sprechen! Mir ist es ein wichtiges Anliegen, diesen Perspektivwechsel auch in der klinischen Praxis und der Öffentlichkeit stärker zu diskutieren.

Da ich sehr gerne den Status Quo hinterfrage, bin ich in meiner Forschung bald zur Frage gekommen, was Behandlungserwartungen – ein Kernmechanismus des Placebo- und Nocebo-Effektes, –eigentlich sind. Sind es Hoffnungen? Befürchtungen? Abschätzungen von wahrscheinlichem Behandlungsausgang? Es bereitet mir Freude, mich mit unterschiedlichen methodischen Perspektiven, von Fragebögen über Experimente bis hin zu persönlichen Gesprächen mit PatientInnen, mit dieser Frage zu beschäftigen.

Was mir Freude im Leben bereitet.
Ich bin unglaublich dankbar für die Vielfalt, die mir mein Beruf bietet. Es erfüllt mich, gemeinsam mit meinem fantastischen Team und mit Kooperationspartnern im SFB und darüber hinaus spannende neue Forschungsprojekte zu entwickeln, und aus der Antwort auf eine Forschungsfrage wieder zehn neue Fragen zu formulieren. Als Psychotherapeutin begleite ich Menschen durch Lebenskrisen. Als Studiengangsleitung unseres Masterstudiengangs Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie und Psychotherapie gestalte ich aktiv die Ausbildung zukünftiger PsychotherapeutInnen.

Auch privat gestalte ich gerne handwerkliche Dinge, zum Beispiel Kleidung für meine Kinder. Kraft und Sinn geben mir vor allem meine interkulturelle Familie und meine Freunde, Reisen in andere Kulturen und Sport in der Natur.