Dr. Lorenz Peters

Dr. Lorenz Peters, Facharzt für Neurologie und Physiologie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Didaktik für Medizin am Universitätsklinikum Essen bei Prof. Sven Benson

Lernen Medizinstudierende nicht auch heute schon die Kommunikation mit PatientInnen?
Ja, jedoch wurde dem Thema über lange Zeit (zu) wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wir sind am Universitätsklinikum in Essen gerade dabei, ein Kommunikations-Curriculum zu erstellen und deshalb ist dieses Gebiet bei uns zentral verankert. Wir möchten nun die Erkenntnisse des Sonderforschungsbereichs SFB 289 Treatment Expectation nutzen, um im Rahmen des neuen Science Communication Project die Ausbildung um den Bereich der Behandlungserwartung zu erweitern. Wir wissen – und es ist vielfach durch Studien unterstützt –, wie groß der Einfluss der Kommunikation auf den Behandlungserfolg ist. Dies spricht sich auch bei den Studierenden herum, so dass wir auf eine hohe Akzeptanz treffen.

Was sind die Kernaspekte?
Das Medizinstudium soll kompetenzorientiert sein, und das gilt eben auch für den Patientenkontakt, der andere und auch neue Ansprüche an die Studierenden stellt. Wie ist meine eigene Haltung? Wie reflektiere ich meine Kommunikation mit den PatientInnen? Wie übe ich ein Gespräch praktisch? Und dabei geht es nicht nur um das Überbringen von Untersuchungsergebnissen, die möglicherweise Ängste und Sorgen auslösen. Wir nehmen über den SFB 289 die Erwartungshaltung der PatientInnen in den Fokus und wollen in der Ausbildung implementieren, wie wir als Ärzte und Ärztinnen Placeboeffekte fördern und Noceboeffekte reduzieren können. Das Kommunikations-Curriculum wird damit um die Erwartungseffekte erweitert.

Was wissen denn Medizinstudierende über Erwartungseffekte?
Die meisten werden den Begriff „Placebo“ kennen. Aber ohne Training dürften die wenigsten die Kompetenz haben, die Mechanismen sinnvoll zu nutzen und negative Effekte zu vermeiden. Dabei geht es u.a. um einfache sprachliche Formulierungen, z.B. unbedachte Phrasen zu vermeiden, aber auch um Selbstreflektion und Haltung. Werden Studierende in Gesprächssituationen gefilmt und können das hinterher besprechen, entwickeln sie schneller ein Gefühl dafür, wie Kommunikation beim Gegenüber ankommt oder wie sie selbst die Erwartungshaltung ihres Gegenübers erfassen. Das braucht Training, und es ergibt sich kaum aus dem Lehrbuch. Wir werden also theoretische wie praktische Teile entwickeln. Und ganz wichtig: Erstmal müssen angehende MedizinerInnen mehr über die psychologischen und neurobiologischen Mechanismen hinter den Erwartungseffekten wissen. Beispielsweise beim Schmerz können Placeboeffekte ähnlich wie ein Medikament wirken. Dieses Grundwissen ist also elementar und erhöht die Wertschätzung für den ganzen Themenbereich.

Wie kann man üben, ethische und rechtliche Aspekte zu bedenken, und dennoch Nocebeffekte vermeiden?
Das ist in der Kommunikation ein wichtiger Aspekt. Wie führt man ein Gespräch? Ist es ein Monolog oder ein Dialog? Wie empathisch muss oder darf ich sein? Das ist Grundwissen. Schwieriger ist es, die Freiräume, die ich als Arzt in der Aufklärung habe, auszuloten. Das Konzept des informierten Patienten bedeutet bei der Aufklärung auch Selbstbestimmtheit. Manche Dinge wollen PatientInnen nicht genau wissen. Wie erkläre ich also mögliche Nebenwirkungen? Die Einordnung ist hier extrem wichtig, wie die Forschung über Noceboeffekte gezeigt hat. Was sage ich wie? Dafür müssen Studierende Kommunikations-Skills entwickeln, die auch Erwartungseffekte berücksichtigen. Man kommt also der Aufklärungspflicht nach, aber man hat es sinnvoll getan.

Wie wollen Sie die neuen Lerninhalte bekannt machen?
Wir wollen Material entwickeln, das für viele nutzbar ist. Das schließt dann zwangsläufig digitale Formate – Filme, Videos – ein. Zum Beispiel ein Video, das verschiedene Kommunikationsentscheidungen beinhaltet: Entscheide ich mich für Weg A, wie kann das im Gegensatz zu Weg B die Erwartungshaltung des Patienten und der Patientin beeinflussen? Es bietet sich an, bei diesen komplexen Inhalten interaktiv zu arbeiten. So kann man fehlerhafte Kommunikation aufzeigen und dann praktische Kurse und Selbstreflektion anbieten. Aber auch die Prüfung ist wichtig. Wenn man in der Prüfung eventuell mit SchauspielpatientInnen und mit objektiven Bewertungsbögen (den OSCE – Objective Structured Clinical Examination) prüft, ist das aufwendig, aber anerkannt. Erwartungseffekte sind zum Teil groß und wenn man sich wieder zur „sprechenden Medizin“ hinbewegen will, ist das aller Mühen wert.

Wollen Sie einzelne Fachrichtungen in der Ausbildung herausheben?
Im Rahmen des Antrags zur Bewilligung der zweiten Förderperiode haben wir zunächst die Gruppe der Medizinstudierenden herausgestellt. Es versteht sich jedoch von selbst, dass alle Berufs- und Fachgruppen mit PatientInnenkontakt profitieren sollen. Wir stehen hier z.B. im engen Kontakt mit Frau Prof. Erika Sirsch, die die Professur für Pflegewissenschaften an der UDE innehat. Aber auch FachärztInnen sollen etwa über die Fachtagungen kontinuierlich informiert und wenn möglich auch trainiert werden. Es wird einige geben, die schon vieles richtig machen, jedoch hilft es sicher, alte Muster kritisch zu reflektieren und ggf. mit neuem Wissen anzupassen. In der Forschung wird immer von dem „Bench-to Bedside“-Ansatz gesprochen, aber wir wollen dies im Science Communication Project um den Begriff „Bench-to-Bedside-TEACHING“ erweitern.

Welche Rolle spielt das Patient Advisory Board (PAB), das im SFB 289 eingebunden sein wird?
Gerade wenn es um die praktischen Teile geht, würden wir das gerne durch PatientInnen, die im PAB als Vertreter organisiert sind, begleiten lassen, denn wir müssen immer darauf achten, dass wir nicht an der „Realität“ vorbei arbeiten. Ich halte die Begleitung des Projektes durch die Erfahrensten, also die PatientInnen selbst, für äußerst wichtig.