Prof. Wiebke Sondermann erhält den hochdotierten Deutschen Psoriasis Preis 2025 von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) für ihre Studie zur Modulation von positiven Erwartungen bei der Psoriasis-Therapie mit Biologika. Die klinisch-experimentelle Studie der Leitenden Oberärztin in der Universitätshautklinik Essen und Leiterin der Psoriasis-Sprechstunde wurde im Rahmen des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“ mit dem Titel „The Impact of Expectation on Health Outcome“ durchgeführt.

"Die Studie ist ein Meilenstein in der Erforschung von Plazeboeffekten bei schweren somatischen Erkrankungen wie der Psoriasis. Sie zeigt Möglichkeiten, Grenzen und wichtige Forschungsfragen für die Zukunft auf", ordnet Prof. Ulrike Bingel, Sprecherin des SFB/TRR 289, die Forschungsarbeit ein. Im Interview erklärt Prof. Sondermann ihre Ergebnisse dazu, wie Erwartungen von Patienten und Patienten den Therapieerfolg bei Psoriasis beeinflussen:

 

Deutscher Psoriasis Preis 2025 Prof Sondermann

Glückliche Gewinner des Deutschen Psoriasis Preises 2025: Prof. Wiebke Sondermann mit ihrem Mitgliedern ihres Forschungsteams aus Projekt A12. Von links nach rechts: Dr. Frederik Krefting, Prof. Wiebke Sondermann, Senta Mühlhaus und Daniela Bese

 

Frau Sondermann, für welchen Aspekt ihrer Forschung erhalten Sie den Preis der DDG?

Der Preis wird mir für die Publikation der Daten unserer Hauptstudie aus dem Teilprojekt A12 aus der 1. Förderperiode des Transregio-SFB „Treatment Expectation“ verliehen. Unter Ausnutzung der gezielten Modulation von positiven Erwartungen wollten wir sehen, ob sich der Effekt von Secukinumab beeinflussen lässt. Es handelt sich dabei um einen humanen monoklonalen Antikörper, der gezielt auf das entzündungsfördernde Protein Interleukin-17A wirkt. Wir haben in unserer Studie gesehen, dass die verbale Erwartungsmodulation allein nur einen begrenzten Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat. Deshalb wollen wir jetzt in der 2. Förderperiode prüfen, welchen Effekt unbewusste Lernmechanismen im Rahmen der Erwartungsmodulation haben.

Sie haben sich mit den psychologischen Einflussfaktoren der Psoriasis beschäftigt, warum nicht mit neuen Medikamenten?

Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe an Medikamenten, mit denen wir die Psoriasis sehr gut behandeln können. Für einen Großteil der Patienten schaffen wir es heutzutage den Hautbefund um 90 Prozent zu bessern. Allerdings sind die Medikamente, mit denen diese sehr guten Resultate erzielt werden, die sogenannten Biologika, zu denen auch das in unserer Studie verwendete Secukinumab zählt, sehr hochpreisig und können auch mit Nebenwirkungen einhergehen, sodass wir es für sinnvoll erachten, zu erforschen, inwiefern sich möglicherweise ein Teil der Dosis durch die Nutzung von psychologischen Einflussfaktoren - und im konkreten Fall unserer Studie - durch die Nutzung von Erwartungseffekten einsparen ließe.

Bei cortisonhaltigen Cremes ist bereits durch eine ältere Untersuchung an Psoriasis Patienten gezeigt worden, dass die Wirkung bei einer Anwendung der vollen Dosis im Wechsel mit einem Placebo, erhalten blieb.

Interessiert sich die Pharmaindustrie für diese Forschung?

Ja, das Interesse ist erfreulicherweise da. Novartis hat uns z.B. logistisch dabei unterstützt, an eine bestimmte Formulierung des Biologikums Secukinumab heranzukommen, damit wir einfacher mit der niedrigeren Dosierung des Präparats arbeiten konnten. Aber vor allem danken wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die den Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ und damit unsere Forschung unterstützt.

Besteht denn Bedarf an einer Verbesserung der Versorgungsrealität von Psoriasis Patienten?

Ja, auf jeden Fall. Das war auch genau der Titel meiner Habilitationsschrift. Viele Patienten sind noch untertherapiert – vor allem auch weltweit –, weil nicht bei allen der Zugang zu den hocheffektiven Medikamenten gegeben ist.

Wie beurteilen Sie neue Therapien mit Biologika?

Biologika-Therapien gibt es für die Psoriasis seit etwa 20 Jahren. Durch das immer besser werdende Verständnis der Entzündungsprozesse bei der Psoriasis konnten die Biologika stetig weiterentwickelt und optimiert werden. Heutzutage blockieren die modernen Biologika, die bei der Psoriasis eingesetzt werden, ganz spezifisch vor allem zwei Entzündungsbotenstoffe, die bei der Psoriasis eine zentrale Rolle spielen: Interleukin 17 und Interleukin 23. Mit dem Medikament, mit dem wir in der Studie gearbeitet haben, Secukinumab, wird zum Beispiel gezielt Interleukin 17 blockiert. Durch die spezifische Blockade von Entzündungsbotenstoffen, die bei der Psoriasis zu viel vorhanden sind, erreichen wir sehr hohe Ansprechraten. Dadurch, dass das Immunsystem nicht wie früher, breit unterdrückt wird, hat sich auch das Nebenwirkungsprofil verbessert. Aufgrund der hohen Kosten der Biologika-Therapie erhalten leider noch zu wenige Patienten eine solche moderne Therapie.

Wirken Biosimilars genauso gut?

Biosimilars sind Nachahmerprodukte von Biologika, deren Patentschutz abgelaufen ist. Es gibt sie bereits für die älteren Biologika. Ein Vorteil der Biosimilars ist, dass sie deutlich günstiger sind als die Original-Präparate. Studien zeigen, dass die objektive Wirksamkeit von Biosimilars eigentlich genauso gut ist wie die von den Original-Präparaten. Dennoch sind die Abbruchraten nach Umstellung vom Originalpräparat auf Biosimilars überdurchschnittlich hoch, was man auf den Noceboeffekt zurückführt. Vor allem im niedergelassenen Bereich gibt es Biosimilar-Quoten, das heißt, dass zu einem gewissen Prozentsatz eben Biosimilars anstatt der Biologika verschrieben werden müssen. Hier ist Aufklärung und eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation enorm wichtig, um die Abbruchraten zu verhindern.

Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leidet an dieser entzündlichen chronischen Hauterkrankung. Hat ihre Arbeit eine große klinische Relevanz?

Ja, tatsächlich zählt die Psoriasis mit einer Prävalenz von zwei bis drei Prozent zu den häufigsten entzündlichen Hauterkrankungen der westlichen Welt. Ungefähr 20 bis 30 Prozent aller Patienten leiden unter einer mittelschweren bis schweren Form der Erkrankung, die einer systemischen Therapie, also einer Therapie von innen bedarf. Wenn man frühzeitig behandelt, dann kann man vermutlich den Krankheitsverlauf insgesamt günstig beeinflussen und wahrscheinlich sogar teilweise den Ausbruch einer Psoriasis-Arthritis verhindern. „Hit smart and early“, ist deshalb das Gebot. Genau hier setzt unsere Forschung an und ist somit für viele Patientinnen und Patienten von hoher klinischer Relevanz.

Welche Zusammenhänge und Interaktionen bestehen zwischen der Haut, dem Immunsystem und der Psyche?

Die Haut, das Immunsystem und die Psyche sind über ein komplexes Netzwerk miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Die Haut ist nicht nur eine physische Barriere, sondern auch ein aktives Immunorgan.

Was läuft denn bei der Psoriasis in der Hirn-Haut-Achse falsch?

Bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie der Psoriasis ist das Immunsystem in der Haut überaktiv. Es kommt zu Rötungen, Schuppung und Juckreiz. Stress, Angst und Depressionen wiederum können das Immunsystem fehlregulieren, so dass die Hauterkrankung weiter verschlechtert wird. Dabei sind unter anderem das Stresshormon Cortisol und das vegetative Nervensystem beteiligt. Stress führt dazu, dass der Körper Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin ausschüttet. Gleichzeitig wird das Immunsystem aktiviert – gerade bei entzündlichen Erkrankungen wie der Psoriasis kann das aber nach hinten losgehen: Die Immunantwort wird überaktiv, die Entzündungsprozesse nehmen zu, und Schübe können ausgelöst oder verstärkt werden. Neuere Forschung zeigt zudem, dass das Nervensystem dabei auch direkt mit dem Immunsystem kommuniziert. Sichtbare Hautveränderungen wiederum können zu Scham, Stigmatisierung, sozialem Rückzug, Angst oder Depressionen führen. Diese psychischen Belastungen wiederum verstärken den von den Patienten empfundenen Stress, was die Erkrankung verschlimmern kann. Also ein klassischer Teufelskreis. Ich bin froh darüber, dass die subjektive Belastung der Patienten heutzutage durch verschiedene Fragebögen gut erfasst werden kann und das individuelle Leiden in den Therapieleitlinien immer stärker berücksichtigt wird.

Wenn man sich eine Skala von 0 bis 10 vorstellt – 0 bedeutet man weiß kaum etwas über die Zusammenhänge, 10 alles – wo steht dann die Psoriasis-Forschung?

Ich würde schätzen bei fünf. Es gibt also noch viel zu tun, denn die wechselseitigen Beeinflussungen sind äußerst komplex und genauso komplex ist auch die Erforschung.

Welches ist für Sie der beste Beweis, dass Placeboeffekte wirken?

 Einer der überzeugendsten Beweise für die Wirksamkeit von Placeboeffekten ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass sie in randomisierten, doppelblinden klinischen Studien gemessen werden. In einer Meta-Analyse von 34 randomisierten klinischen Studien mit Patienten und, Patientinnen, die an Psoriasis, atopischer Dermatitis oder Nesselsucht, die chronisch-spontane Urtikari, litten, zeigte sich 2015 beispielsweise, dass Placebos den Juckreiz signifikant, also beträchtlich und nicht zufällig, reduzieren konnten – und zwar im Durchschnitt um 24 Prozent.

Gilt das auch für Noceboeffekte?

Verschiedene Studien haben eindrücklich gezeigt, dass Patienten, die vor einer Therapie darauf hingewiesen werden, dass ein Arzneimittel bestimmte Nebenwirkungen haben könnte, deutlich häufiger über genau diese Nebenwirkungen berichten, selbst wenn sie nur ein Placebo bekommen haben. Zudem gibt es z.B. aus dem Bereich der Dermatologie Untersuchungen an gesunden Probanden und Probandinnen und an Patienten und Patientinnen mit atopischer Dermatitis, die eindrucksvoll zeigen konnten, dass sich der empfundene Juckreiz allein durch verbale Suggestionen oder die Information, dass eine allergenhaltige Lösung aufgetragen wird, die tatsächlich nur Wasser ist, der empfundene Juckreiz deutlich verstärkt. Wenn Sie einem Studienteilnehmenden sagen „Also das wird jetzt ganz stark jucken“, dann wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch jucken.

Wie lassen sich denn konkret Erwartungen nutzen, um die Psoriasis besser behandeln zu können?

Erwartungen können bei vielen Krankheitsbildern als psychologischer Verstärker für Therapien wirken. Allerdings haben wir in unserem Projekt in der ersten Förderperiode festgestellt, dass verbal induzierte positivere Erwartungen allein nur einen begrenzten Einfluss auf den objektiven Krankheitsverlauf haben. In der zweiten Förderperiode erweitern wir daher unseren Ansatz und nutzen zur Optimierung zusätzlich das Verstärkungslernen durch pharmakologische Konditionierung. Dieses Prinzip beruht auf der Beobachtung, dass sich der Körper die Wirkung eines Medikaments in bestimmten Fällen merken und teilweise selbst ersetzen kann: Ob dies auch bei einer innerlichen Behandlung mit Biologika möglich ist, untersuchen wir in unserem SFB-Projekt A12: Gelingt dies, könnten die Nebenwirkungen potenziell verringert und Behandlungskosten gesenkt werden.

Was ist ihr Rat an die Kollegen und Kolleginnen in der Praxis?

Wenn wir Erwartungseffekte klug nutzen, können wir mit ihrer Hilfe die Wirkung von Medikamenten steigern, die Entzündungsaktivität reduzieren und die Lebensqualität von Menschen mit Psoriasis verbessern. Konkret wirkt eine wertschätzende, zugewandte Sprache im Arzt-Patienten-Gespräch vertrauensfördernd — und stärkt Placeboeffekte.

Und was können Patienten selbst tun?

Viele Betroffene sind nach jahrelangen, unzureichenden Therapieversuchen deprimiert und skeptisch gegenüber neuen Therapieansätzen. Dennoch ist es sinnvoll, sich als Patient oder Patientin optimistisch auf neue Therapien einzulassen. Studiendaten zeigen auch, dass das Vertrauen in die Therapie – und damit auch die Wirksamkeit – steigt, wenn man sich als Patient an einer partizipativen Entscheidungsfindung gemeinsam mit dem Arzt beteiligt. Bewahren Sie sich eine Portion Optimismus lassen Sie sich nicht verunsichern!

 

Originalpublikation:

Hölsken S., Krefting F., Mühlhaus S., et al. und Sondermann W. Shaping Treatment Expectation to Optimize Efficacy of Interleukin 17A Antagonist Secukinumab in Psoriasis Patients. Psoriasis (Auckl). 2025 Jan 10;15:9-22.

https://doi.org/10.2147/PTT.S486338