Deutschland höchste Auszeichnung für Schmerzforschung geht nach Essen – und das dieses Jahr sogar in beiden ausgelobten Kategorien: Zwei Forscherinnen der Medizinischen Fakultät der UDE, der Universitätsmedizin Essen und des Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“ (SFB 289) erhielten für ihre Ergebnisse am 23. Oktober auf dem Deutschen Schmerzkongress in Mannheim die beiden Förderpreise für Schmerzforschung 2025.
In der Kategorie Grundlagenforschung gewonnen hat Dr. Livia Asan, Ärztin in Weiterbildung in der Klinik für Neurologie und Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulrike Bingel, Leiterin des Zentrums für universitäre Schmerzmedizin an der Universitätsmedizin Essen. Sie hat mit ihrem Forschungsteam eine wichtige Annahme der Placebo-Forschung in Frage gestellt: Der Einfluss von Dopamin auf positive Behandlungserwartungen und den Placebo-Effekt ist offenbar deutlich komplexer als vermutet.
Wenn Dopamin-basierte Belohnungs- und Lernmechanismen zu Placeboeffekten beitragen, wie bislang vermutet wurde, sollte der Botenstoff selbst einen Einfluss auf diese Effekte haben. Den hat er aber nicht – jedenfalls nicht direkt: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Dopamin nicht zwingend für die Entstehung der Placebo-Schmerzlinderung notwendig ist“, erklärt Livia Asan.
Veröffentlich wurde diese überraschende Erkenntnis 2024 in der Zeitschrift PLOS Biology unter dem Titel „Dopamine has no direct causal role in the formation of treatment expectations and placebo analgesia in humans". Co-Erstautorin der Studie ist Dr. Angelika Kunkel, die nun gemeinsam mit Dr. Asan mit dem Förderpreis ausgezeichnet wurde.
Ausgezeichnet wurden Arbeiten zur Rolle von Dopamin und zu postoperativen Schmerzen
Die zweite Preisträgerin aus dem Universitätsklinikum Essen ist Dr. Jana Aulenkamp, Clinician Scientist in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Sie hat gemeinsam mit Ihren Kolleginnen vom Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum den ersten Preis in der Kategorie Klinische Forschung für ihre Publikation zum Thema der postoperativen chronischen Schmerzen gewonnen.
Der Titel ihrer ausgezeichneten Arbeit lautet: „The Relationship Between Chronic Postoperative Pain and Circulating Inflammatory Biomarkers (CC-Chemokine Ligand 5, Adiponectin, and Resistin) After Fracture-Related Surgery in Pain Chronification“ und ist im Fachmagazin „Anesthesie and Analgesia“ erschienen.
In diesem Video erklärt Jana Aulenkamp, was postoperative Schmerzen mit Erwartungen zu tun haben.
„Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, generelle Annahmen exakt zu prüfen“
Der Förderpreis für Schmerzforschung ist der älteste Wissenschaftspreis Deutschlands im Bereich der Schmerzforschung. Er wird seit 1987 von der Grünenthal GmbH gestiftet und ist pro Kategorie mit 7.000 Euro dotiert.
„Diese in Deutschland höchste Auszeichnung für die Schmerzforschung ist ein weiterer Beweis für die innovative Forschungskraft des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universitätsmedizin Essen und belegt, wie wichtig es ist, generelle Annahmen exakt zu prüfen“, erklärt Prof. Ulrike Bingel, Professorin für klinische Neurowissenschaften und Sprecherin des SFB 289. „Denn nur, wenn man die Mechanismen von Placebo- und Erwartungseffekten kennt, kann man diese zu einem eigenständigen Ziel von Interventionen machen, um medizinische Behandlungen zu optimieren.“ Bemerkenswert ist, dass diese Auszeichnung bereits zum achten Mal an Early Career Researcher aus dem BingelLab verliehen wurde.
Für ihre Studie im Bereich Grundöagenforschung veränderten Dr. Asan und ihre Kolleginnen bei 168 gesunden Versuchspersonen gezielt den Dopaminspiegel und untersuchten die Auswirkungen auf deren Behandlungserwartungen und Schmerzempfinden. Das Ergebnis: Ein veränderter Dopaminspiegel allein wirkte sich nicht messbar auf eine positive Behandlungserwartung oder die Placebo-Schmerzlinderung aus. Die Studie trägt zu einem besseren Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen Gehirnchemie, Kognition und Schmerzbehandlung bei (mehr Info hier).
„Um zukünftig das volle Potenzial von Placeboeffekten in der Schmerztherapie ausschöpfen zu können, ist allerdings noch weitere Forschung auf diesem Gebiet notwendig“, weiß Dr. Asan. „Dennoch könnte Dopamin bei anderen Aspekten der Schmerzerfahrung, wie etwa der Belohnungsverarbeitung, die eher mit aktivem Handeln und motivationalen Aspekten verbunden sind, eine Rolle spielen.“