Induzierte Krankheitssymptome verändern das Verhalten einer Ratte. © Huw Jones/Alamy Stock Foto

Induzierte Krankheitssymptome verändern das Verhalten einer Ratte. ©  LightField Studios/Alamy Stock Foto

Auf welchen neurobiologischen Mechanismen beruhen negative Behandlungs­erwartungen?

Angst, depressive Stimmung, unspezifische Krankheitssymptome: Immun- und Chemotherapien haben oft unerwünschte psychische und körperliche Nebenwirkungen. Im Laufe derartiger Therapien, die in der Regel aus mehreren Behandlungszyklen bestehen, können sich diese Symptome verstärken und allein durch erneuten Kontakt mit dem Behandlungskontext (z.B. Krankenhausumgebung, Gerüche) ausgelöst werden. Diese erwartungsinduzierte (antizipatorische) Entstehung von Krankheitssymptomen aufgrund negativer Erfahrungen mit früheren Behandlungen ist die Folge eines assoziativen Lernprozesses (sog. klassische Konditionierung) und kann im Extremfall sogar zum vorzeitigen Abbruch der Therapie führen. Die molekularen und neurobiologischen Grundlagen negativer Behandlungserwartungen und ihrer physiologischen Konsequenzen sind weitestgehend unbekannt und in Patienten schwer zu untersuchen.

Die Stärke der negativen Behandlungserwartung hängt von der Anzahl negativer Vorerfahrungen ab

In Projekt A10 wollen wir diese Wissenslücke mithilfe eines tierexperimentellen Ansatzes schließen. In der ersten Förderperiode haben wir dafür ein neuartiges Tiermodell für negative Behandlungserwartungen entwickelt. In Experimenten mit Laborratten konnten wir zeigen, dass das Ausmaß einer experimentell induzierten negativen Behandlungserwartung von der Anzahl negativer Vorerfahrungen abhing, d.h. die beobachteten Verhaltenssymptome und körperlichen Reaktionen umso stärker waren, je häufiger die Tiere eine negative Behandlungserfahrung gemacht hatten. Auch vergaßen die Versuchstiere sie nicht – ein Hinweis darauf, dass negative Behandlungserfahrungen eine starke Gedächtnisspur bilden, die vermutlich auch beim Menschen lange erhalten bleibt. Bei der Suche nach den beteiligten Gehirnregionen konnten wir unter anderem die Insula und die Amygdala als mögliche Schlüsselstrukturen identifizieren.

Molekulare Mechanismen und neurobiologische Grundlagen

In der zweiten Förderperiode wollen wir tiefer in die molekularen und neurobiologischen Mechanismen negativer Behandlungserwartungen eintauchen. Welche Rolle spielen der Inselcortex und die Amygdala bei der Entstehung und dem Abruf der negativen Gedächtnisspur? Inwieweit sind bestimmte Immunbotenstoffe daran beteiligt? Was passiert während dieser Vorgänge im autonomen Nervensystem? Und verallgemeinert das Gehirn negative Erfahrungen auf ähnliche Situationen? Solche Fragen versuchen wir in Projekt A10 unter anderem mithilfe chemogenetischer und pharmakologischer Manipulationen und im Rahmen von Verhaltensexperimenten zu beantworten.

Die Untersuchung der Mechanismen negativer Behandlungserwartungen im Tiermodell erlaubt es uns, diese klinisch höchst relevanten Vorgänge auch im Menschen besser zu verstehen. Dafür arbeiten wir mit Projekten zusammen, die verwandte Fragestellungen in gesunden Menschen und bei Patienten untersuchen, mit dem langfristigen Ziel, die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Therapien zu verbessern.

Engler H, Brinkhoff A, Wilde B, Kribben A, Rohn H, Witzke O, Schedlowski M, Benson S. Endotoxin-Induced physiological and psychological sickness responses in healthy humans: insights into the post-acute phase. Neuroimmunomodulation. 2023;30:268-276. doi: 10.1159/000534444.

Pawlik RJ, Petrakova L, Cueillette A, Krawczyk K, Theysohn N, Elsenbruch S, Engler H. Inflammation shapes neural processing of interoceptive fear predictors during extinction learning in healthy humans. Brain Behav Immun. 2023;108:328-339. doi: 10.1016/j.bbi.2022.12.010.

Lasselin J, Lekander M, Benson S, Schedlowski M, Engler H. Sick for science: experimental endotoxemia as a translational tool to develop and test new therapies for inflammation-associated depression. Mol Psychiatry. 2021;26:3672-3683. doi: 10.1038/s41380-020-00869-2.

Bihorac J, Salem Y, Lückemann L, Schedlowski M, Doenlen R, Engler H, Mark MD, Dombrowski K, Spoida K, Hadamitzky M. Investigations on the ability of the insular cortex to process peripheral immunosuppression. J Neuroimmune Pharmacol. 2024;19:40. doi: 10.1007/s11481-024-10143-9.

Leisengang S, Schedlowski M, Hadamitzky M, Lückemann L. Taste-associative learning in rats: Conditioned immunosuppression with cyclosporine A to study the neuro-immune network. Curr Protoc. 2022;2:e573. doi: 10.1002/cpz1.573.

Schwarting RKW, Wöhr M, Engler H, Sungur AÖ, Schedlowski M. Behaviorally conditioned effects of psychoactive drugs in experimental animals: What we have learned from nearly a century of research and what remains to be learned. Neurosci Biobehav Rev. 2024;162:105721. doi: 10.1016/j.neubiorev.2024.105721

In enger Zusammenarbeit mit den Projekten

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Projekt A11 - SFB/TRR 289 - Treatment Expectation

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Wie geht es anderen – und was heißt das für mich?

PD Dr. Jan Haaker
Prof. Dr. Christiane Melzig

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Projektleitung

Prof. Dr. Harald Engler

Prof. Dr. Harald Engler
Biologe

Prof. Dr. Harald Engler

Dr. Laura Heiß-Lückemann
Biologin

Mitarbeitende

Kirsten Dombrowski
Postdoc, Biologin