Individuelles Schmerzempfinden ist ein kritischer Faktor bei Millionen Patienten mit Reizdarmsyndrom. © kei907/stock.adobe.com

Individuelles Schmerzempfinden ist ein kritischer Faktor bei Millionen Patienten mit Reizdarmsyndrom. © kei907/stock.adobe.com

Wie Erwartungen Bauchschmerzen beeinflussen – und wie umgekehrt Schmerzerfahrungen Therapieerwartungen verändern

Wer schon einmal starke Bauchschmerzen hatte, weiß: Innere (sogenannte „viszerale“) Schmerzen, die aus den Organsystemen stammen, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von äußeren („somatischen“) Schmerzen, wie sie etwa bei einer Schürfwunde auftreten können. Viszerale Schmerzen, wie sie beispielsweise beim Reizdarmsyndrom typisch sind, sind meist schwerer zu lokalisieren, ihre Ursache ist schwieriger zu erfassen, und Betroffene leiden oft unter zusätzlichen Symptomen. Eines jedoch verbindet viszerale und somatische Schmerzen sowie vor allem deren Therapien: Beide stehen in engem Zusammenhang mit den Erwartungen der Betroffenen.

Stress und eine negative Grundstimmung wirken sich auf viszerale Schmerzen besonders intensiv aus

In Projekt A04 untersuchen wir genau diese komplexen Zusammenhänge, mit dem Ziel, durch unsere Erkenntnisse die Therapieansätze für verschiedene chronische Schmerzerkrankungen zu verbessern. Dabei bauen wir auf den Befunden der ersten Förderperiode des SFBs auf. Wir konnten bereits zeigen, wie stark insbesondere viszerale Schmerzen Angst auslösen und durch negative Erwartungen beeinflusst werden. Ebenso wirken sich Stress oder eine negative Grundstimmung – wie etwa bei einer Depression – offenbar besonders intensiv auf viszerale Schmerzen aus. Dass auch bei somatischen Schmerzen emotionale Faktoren eine große Rolle spielen, zeigt zum Beispiel unsere Studie mit offen verabreichten Placebos (Open-Label Placebos, OLP), die bei PatientInnen mit chronischen Rückenschmerzen nicht nur die Schmerzen, sondern auch die Stimmung verbesserten.

Unterschiede und Wechselwirkungen zwischen viszeralen und somatischen Schmerzen

In der zweiten Förderphase werden wir diese Phänomene noch genauer analysieren: Wie beeinflussen Erwartungen und Stimmung die Wirksamkeit einer Therapie bei viszeralen und somatischen Schmerzen – und umgekehrt, wie verändern Therapieerfahrungen die Erwartungen für künftige Behandlungsversuche? Gibt es Unterschiede zwischen somatischen und viszeralen Schmerzen? Wie entwickeln sich diese Zusammenhänge im Verlauf verschiedener Schmerzerfahrungen und insbesondere im Verlauf einer Therapie? Und wie wirken viszerale und somatische Schmerzen wechselseitig aufeinander ein?

Diesen Fragen gehen wir in Projekt A04 in Experimenten mit gesunden Versuchsteilnehmenden nach, die im Rahmen verschiedener Therapieansätze akute Schmerzerfahrungen machen. Neben standardisierten Befragungen zum Schmerzerleben erfassen wir dabei auch psychophysiologische Parameter wie die Herzratenvariabilität und Hormonkonzentrationen. Zusätzlich fließen Daten zur Gehirnaktivität der Probandinnen und Probanden aus funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) und Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) sowie Fragebogendaten in unsere übergreifenden Projekte Z02 und Z03 ein.

Benson S, Theysohn N, Kleine-Borgmann J, Rebernik L, Icenhour A, Elsenbruch S. Positive treatment expectations shape perceived medication efficacy in a translational placebo paradigm for the gut-brain axis. Front Psychiatry 2022;13:824468. doi: 10.3389/fpsyt.2022.824468.

Benson S, Labrenz F, Kotulla S, Brotte L, Roedder P, Tebbe B, Theysohn N, Engler H, Elsenbruch S. Amplified gut feelings under inflammation and depressed mood: A randomized fMRI trial on interoceptive pain in healthy volunteers. Brain Behav Immun 2023;112:132-137. doi: 10.1016/j.bbi.2023.06.005.

Bosman M, Elsenbruch S, Corsetti M, Tack J, Simrén M, Winkens B, Boumans T, Masclee A, Keszthelyi D. The placebo response rate in pharmacological trials in patients with irritable bowel syndrome: a systematic review and meta-analysis. Lancet Gastroenterol Hepatol 2021;6(6):459-473. doi: 10.1016/S2468-1253(21)00023-6.

Kleine-Borgmann J, Schmidt K, Scharmach K, Zunhammer M, Elsenbruch S, Bingel U, Forkmann K: Does pain modality play a role in the interruptive function of acute visceral compared to somatic pain? Pain 2021a;163(4):735-744. doi: 10.1097/j.pain.0000000000002418.

Kleine-Borgmann J, Dietz T-N, Schmidt K, Bingel U. No long-term effects after a 3-week open-label placebo treatment for chronic low back pain: a 3-year follow-up of a randomized controlled trial. Pain 2023;164:645-652. doi: 10.1097/j.pain.0000000000002752.

Koenen LR, Icenhour A, Forkmann K, Pasler A, Theysohn N, Forsting M, Bingel U, Elsenbruch S. Greater fear of visceral pain contributes to differences between visceral and somatic pain in healthy women. Pain 2017;158:1599–1608. doi: 10.1097/j.pain.0000000000000924

Schmidt K, Kleine-Borgmann J, Scharmach K, Müssgens D, Elsenbruch S, Bingel U, Forkmann K. Greater interruption of visual processing and memory encoding by visceral than somatic pain in healthy volunteers - An fMRI study. Neuroimage 2022;257:119333. doi: 10.1016/j.neuroimage.2022.119333.

Elsenbruch S, Enck P. Placebo effects and their determinants in gastrointestinal disorders. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2015;12:472-485. doi: 10.1038/nrgastro.2015.117.

In enger Zusammenarbeit mit folgenden Projekten:

A01

A01

A02

A02

A03

A03

A10

A10

A11

Projekt A11 - SFB/TRR 289 - Treatment Expectation

A13

A13

A18

A18

Wie geht es anderen – und was heißt das für mich?

PD Dr. Jan Haaker
Prof. Dr. Christiane Melzig

A19

A19

Projektleitung

Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch

Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
Psychologin

Dr. Julian Kleine-Borgmann

PD Dr. Julian Kleine-Borgmann
Neurologe

Mitarbeitende

Dr. Laura Ricarda Lanters
Postdoc, Psychologin

Dr. Robert Jan Pawlik
Postdoc, Neurowissenschaftler

Anna Pfeiffer
Doktorandin, Psychologin

Dr. Jana Aulenkamp
Clinician Scientist, Emerging PI

Catrin Guddat
Medizinstudentin