Eine Ratte reagiert auf sozialen Stress auf funktioneller Ebene ähnlich wie ein depressiver Patient. © Vasiliy Koval/stock.adobe.com
Eine Ratte reagiert auf sozialen Stress auf funktioneller Ebene ähnlich wie ein depressiver Patient. © Vasiliy Koval/stock.adobe.com
Wie beeinflussen soziale Beobachtungen die Wirksamkeit von Antidepressiva?
Wer unter Depressionen leidet, durchlebt oft eine jahrelange Behandlungsgeschichte. Viele Betroffene konsultieren im Laufe der Zeit mehrere Ärzte und Ärztinnen und folgen unterschiedlichen therapeutischen Behandlungsansätzen. Dabei sammeln sie positive oder auch negative Erfahrungen, welche wiederum die Wirksamkeit neuerlicher Behandlungsversuche etwa mit Antidepressiva beeinflussen. Gleichzeitig begegnen die Patientinnen und Patienten anderen Personen mit ähnlichen Problemen und tauschen sich mit ihnen über deren Erfahrungen aus. Auch das kann die individuellen Erwartungen an die nächste Therapie verändern – und somit durch Placebo- oder Nocebo-Effekte Einfluss nehmen auf deren Wirksamkeit.
Effekte antidepressiver Behandlungen auf neurobiologischer Ebene
In Projekt A09 untersuchen wir die Mechanismen hinter diesen Vorgängen am Tiermodell. Während der ersten Förderperiode haben die beteiligten Forscherinnen und Forscher ein neuartiges Versuchsdesign entwickelt, das es erlaubt, bei Ratten depressive Stimmungen zu induzieren und daraufhin bei einer Antidepressiva-Behandlung Placebo- und Nocebo-Effekte auf neurobiologischer Ebene zu studieren. Auf diese Weise konnten wir Erkenntnisse über die beteiligten biologischen Prozesse gewinnen, die in Experimenten am Menschen nicht möglich gewesen wären.
Welche Rolle spielen soziale Signale für Placebo- und Nocebo-Effekte?
In der zweiten Förderperiode erweitern wir das Versuchsdesign erheblich, so dass in den Experimenten auch der Einfluss sozialer Beobachtungen untersucht werden kann. Dabei kommt erstmals auch Ultraschallvokalisation als soziales Signal zum Einsatz, eine Verständigungsmöglichkeit von Ratten, die Menschen nicht wahrnehmen können. Auf diese Weise soll insbesondere der Einfluss zweier Gehirnregionen, des Nucleus accumbens und der Amygdala, für die Entstehung von Placebo- bzw. Nocebo-Effekten bei Depressionen genauer erforscht werden.
Wie beeinflussen soziale Signale von Ratten und Interaktionen zwischen den Tieren eine Behandlung mit Antidepressiva? Und welche Rolle spielen dabei die Amygdala und der Nucleus accumbens? Die Antworten auf diese Fragen werden auch für Menschen wertvolle Erkenntnisse liefern. Wir hoffen, damit langfristig die komplexe und oft langwierige Behandlung von Depressionen verbessern zu können.
Schwarting RKW, Wöhr M, Engler H, Sungur AÖ, Schedlowski M.: Behaviorally conditioned effects of psychoactive drugs in experimental animals: What we have learned from nearly a century of research and what remains to be learned. Neurosci Biobehav Rev. 2024 Jul;162:105721. doi: 10.1016/j.neubiorev.2024.105721
Willadsen M, Schwarting RKW, Wöhr M.: Acute anxiogenic effects of escitalopram are associated with mild alterations in D-amphetamine-induced behavior and social approach evoked by playback of 50-kHz ultrasonic vocalizations in rats. Neuropharmacology. 2023 Dec 15;241:109734. doi: 10.1016/j.neuropharm.2023.109734
In enger Zusammenarbeit mit folgenden Projekten:
Auf welchen neurobiologischen Mechanismen beruhen negative Behandlungserwartungen?
Prof. Dr. Harald Engler
Dr. Laura Heiß-Lückemann
Wie können Erwartungseffekte helfen, um Schmerzen nach einer Hüftoperation zu verringern?
PD Dr. Regine Klinger
Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
Wie geht es anderen – und was heißt das für mich?
PD Dr. Jan Haaker
Prof. Dr. Christiane Melzig
Wärme, Kompetenz und mehr: Was Behandelnde mit ihrer Kommunikation bewirken können
Prof. Dr. Helen Blank
Prof. Dr. Katja Wiech
Projektleitung
Prof. Markus Wöhr
Psychologe, Verhaltensneurowissenschaftler
Mitarbeitende
Dr. Maria Willadsen
Postdoc, Emerging PI