Ein chronisches Brennen, Stechen oder Jucken im Bereich der Vulva, ohne klare Ursache – und das monatelang, oft sogar über Jahre hinweg: Vulvodynie ist extrem belastend. Der Sonderforschungsbereich 289 „Treatment Expectation“ setzt sich dafür ein, die Öffentlichkeit besser über diese Krankheit zu informieren – und die Therapien für die Betroffenen effektiver zu gestalten.
Zwischen fünf und zehn Prozent aller Frauen leiden im Laufe ihres Lebens unter unerträglichen Schmerzen im äußeren Genitalbereich. Für viele von ihnen werden selbst alltägliche Aktivitäten wie Fahrradfahren unmöglich. In Deutschland bleibt die Diagnose Vulvodynie oft jahrelang unerkannt. Betroffene erleben nicht nur körperliche, sondern auch psychosoziale Belastungen. In der breiten Öffentlichkeit ist die Krankheit weitgehend unbekannt, und die Betroffenen kämpfen um Anerkennung und adäquate Unterstützung.
Wenn die Diagnose schließlich gestellt wird, stehen viele Betroffene vor der Aufgabe, sich selbst intensiv über die Krankheit zu informieren, da sie auf ihrem Heilungsweg häufig auf sich allein gestellt sind. Zwar existiert ein multimodaler Behandlungsansatz, doch seine Wirksamkeit ist so individuell, dass unklar bleibt, was letztlich Linderung verschafft. Eine solche Situation kann negative Erwartungen befördern – und damit Therapieversuche erschweren.
Vulvodynie: Schmerzen im Intimbereich sind ein großes Tabu
Die Fotografin Celia Joy Homann hat es sich zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit besser für die dauerhaften Schmerzen im Intimbereich sensibilisieren. Im Rahmen ihrer Examensarbeit hat sie eine Ausstellung entworfen, die das Thema Vulvodynie enttabuisieren soll und Anregungen dafür bietet, die Kommunikation zwischen Behandelnden und Patientinnen zu verbessern. Ihr künstlerisch fotografischer Ansatz beschreibt eine neue Dimension, Information über chronische Schmerzen zu transportieren, und fördert die Aufklärung über chronische Schmerzen im Intimbereich.
Der SFB 289 unterstützt Homanns Fotoprojekt, das im August 2025 als Ausstellung in Dortmund zu sehen war. Begleitend erscheint ein Fotobuch mit Interviews von Betroffenen sowie Beiträgen von Ärzten und Ärztinnen aus verschiedenen therapeutischen Fachbereichen.
Fotoprojekt zur Vulvodynie: Im Interview erklärt die Fotografin ihren Kommunikationsansatz
In ihrer fotografischen Arbeit widmet sich Celia Joy Homann der noch wenig bekannten Diagnose Vulvodynie. Ihre Bilder machen einen Schmerz sichtbar, der in unserer Gesellschaft kaum benannt wird. Durch intime Porträts und atmosphärische Bildwelten entsteht ein visueller Raum, in dem das Unsichtbare eine greifbare Form annimmt. Ziel der Arbeit ist es, Bewusstsein zu schaffen und das Tabu rund um chronische Schmerzen im Intimbereich zu durchbrechen.
Frau Homann, was war für Sie der Auslöser, sich mit dem Thema Vulvodynie auseinanderzusetzen?
Die Idee, ein Projekt über Vulvodynie zu realisieren, entstand aus dem Wunsch, das Thema zu öffnen und sichtbarer zu machen. Es hat mich schockiert zu erfahren, dass es Vulvodynie gibt, so viele Frauen betroffen sind – und dennoch so wenig darüber bekannt ist. Auch wenn sich Themen rund um die Vulva inzwischen stärker öffnen und viele über Vaginismus oder Endometriose informiert sind, wusste kaum jemand, was Vulvodynie ist – mich eingeschlossen.
Was war Ihr erster Impuls für die künstlerische Umsetzung?
Wenn man sich online über Vulvodynie informieren möchte, stößt man fast immer auf Artikel, die mit einem ähnlichen Bild als Aufmacher versehen sind. Meist zeigen diese Bilder Frauen, die sich den Bauch halten und einen schmerzverzerrten Ausdruck haben – als wäre ihnen übel. Diese Art der Darstellung empfand ich als unpassend. Denn: Die Schmerzen sitzen nicht im Bauchraum, sondern an der Vulva – außen, sowie im Eingangsbereich.
Ich habe mir eine Bildsprache gewünscht, die präziser und fühlbarer beschreibt, wie sich diese Schmerzen äußern. Eine visuelle Sprache, die das Problem mutig zeigt – ohne ins Vulgäre oder Schambesetzte abzurutschen. Eine Sprache, die den Erfahrungen gerecht wird und in der sich Betroffene wiederfinden können.
Aus dem Fehlen solcher Darstellungsformen von weiblichen Schmerzen entstand mein erster Impuls: eine neue Bildwelt zu entwickeln, die nicht nur „zeigt", sondern „fühlen" lässt.
Was haben Sie aus den Gesprächen mit Betroffenen mitgenommen?
Viele Frauen haben einen langen und einsamen Leidensweg hinter sich, bevor sie Hilfe finden und Worte für ihre Schmerzen haben. Die meisten hatten es satt, dass niemand über Vulvodynie Bescheid weiß – und wollten ihre Geschichte teilen, um Bewusstsein zu schaffen und anderen zu helfen. Dabei wurde deutlich: Jede Betroffene empfindet den Schmerz anders, hat ihren eigenen Umgang damit und einen individuellen Verlauf, wann und wodurch es besser wird. Eine zentrale Botschaft aus den Gesprächen lautete: „Sei gut zu dir. Behandle dich selbst liebevoll." Entspannung – im Körper wie im Alltag – spielt für viele eine große Rolle. Und mehreren Interviewpartnerinnen hilft die Einnahme von Probiotika.
Was wünschen Sie sich im Umgang mit dem Thema – gesellschaftlich und medizinisch?
Mehr Sichtbarkeit und Offenheit. Schmerzen an der Vulva dürfen kein Tabuthema sein. Ich möchte den Diskurs über Vulvodynie öffnen und das Wort „Vulvodynie" stärker verbreiten. Alle sollten wissen, worum es sich handelt – um Betroffene ernst nehmen, zuhören und angemessen reagieren zu können. Es braucht offene Räume für das Thema – auch in gynäkologischen Praxen. Ich wünsche mir, dass Betroffene schneller Hilfe bekommen und ihnen besser zugehört wird. Dass sie sich nicht allein fühlen müssen – sondern Wege finden, sich zu vernetzen und auszutauschen. Ich sehe meine Arbeit als einen wertvollen Beitrag in der medizinischen Kommunikation, der die Öffentlichkeit auf einer anderen Ebene anspricht als die wissenschaftliche Information. Deshalb bin ich auch sehr dankbar, dass der Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ diesen Ansatz unterstützt. Denn die passende Kommunikation mit den Patientinnen ist für mich ein wesentlicher Beitrag, negative Erwartungseffekte bei den Patientinnen zu vermeiden.