Die individuellen Erwartungen und Überzeugungen sind sogar bei einer Herzoperation für die Genesung wichtig: Das hat eine Studie aus dem SFB "Treatment Expectation" gezeigt. Im Interview erklärt der wissenschaftliche Leiter der Studie, Prof. Winfried Rief, die Bedeutung dieses Ergebnisses.
Die sogenannte PSY-HEART-Studie I (PSYchologische Intervention bei HERZchirurgischen Patienten) an der Universität Marburg zeigte 2017, dass Erwartungen an den Erfolg eines Herzeingriffs die Genesung beeinflusst. Bei jährlich mehr als 1,5 Millionen Menschen mit einer Herzkrankheit, die behandelt werden, ein wegweisendes Ergebnis. 2026 werden die Ergebnisse der Folgestudie „PSY-HEART II“ veröffentlicht. Ein Interview über die Bedeutung seiner Forschung mit Professor Winfried Rief, Leiter der Klinischen Psychologie und Psychotherapie der Universität Marburg, und stellvertretender Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“.
Prof. Rief, was konnten sie genau mit PSY-HEART I zeigen?
Wir haben 124 Patienten und Patientinnen, die für einen herzchirurgischen Eingriff vorgesehen waren, gebeten in einer Studie mit einer Erwartungsoptimierung teilzunehmen. Es gab dann vier Gespräche vor der Operation und eines danach – zwei von Angesicht zu Angesicht, drei über das Telefon. Insgesamt eine nicht allzu aufwändige Intervention, die pro behandelter Person nur etwa 500 Euro gekostet hat. Bei einer Operation, die bis zu 20 000 Euro kosten kann, also überschaubar. Wir konnten zeigen, dass dieser kleine Zusatz zu deutlich besseren Ergebnissen nach der Herz-OP führt. Die Teilnehmer der Studie konnten früher wieder ihre Arbeit aufnehmen und waren eher bereit, ihr normales Alltagsleben zu führen. Sie hatten eine höhere Lebensqualität und schätzten ihre Belastbarkeit höher ein als die Patienten in der Kontrollgruppe. Man kann zusammenfassend sagen: Die Gespräche haben sich wirklich gelohnt.
Stehen die Kollegen jetzt bei ihnen Schlange und bitten Sie, die begleitenden Maßnahmen auch in ihren Zentren durchzuführen?
Nein, ganz so läuft es nicht. Die Chirurgie ist da zunächst etwas irritiert, dass nicht nur das Skalpell die Heilung bringt. Aber wir haben mit PSY-HEART II die Datenerhebung im September 2025 an zehn großen Herzzentren beendet. Wir wollen zeigen: Das funktioniert nicht nur in Marburg, sondern auch woanders. Zentren wie Hamburg, Berlin und Köln sind in der Folgestudie dabei. Die Veröffentlichung ist für Anfang 2026 geplant. Ist das geschafft, hoffen wir, dass die Maßnahmen der Erwartungsoptimierung in die Behandlungsleitlinien aufgenommen werden. Das ist der Plan.
Wie lief denn die kommunikative Intervention ab? Was sagt man denn den Patienten, die auf die Herz-OP warten?
Die Sitzungen und Telefonate führten entweder ein Psychologe oder eine Psychologin durch. Diese halfen den Patienten, ihre Erwartungen an den Eingriff realistisch und positiv einzuschätzen und sich auf die gewünschten Effekte der OP zu besinnen, zum Beispiel wieder im Garten arbeiten oder Spaziergänge mit dem Hund unternehmen zu können. Man spricht durch, was sie gerne wieder machen möchten: Da träumt eine Patientin davon, mal mit ihren Freundinnen an die oberitalienischen Seen zu fahren. Dann spricht man darüber, nicht abstrakt, sondern ganz konkret. Wo würde sie wohnen, was würden sie unternehmen? Man sagt ihr auch: Dies und jenes können sie zum Beispiel in drei Monaten probieren, die Reise vielleicht in sechs Monaten, also man entwickelt einen klaren Plan. Die Wünsche und Ziele tragen sich die Patienten sogar in einen Kalender ein. Das fördert die positive Erwartung.
Wie lange hält der Effekt an?
Mindestens sechs Monate, das haben wir in Nachuntersuchungen bestätigt. Das ist schon mal ein schöner Effekt.
Vermeiden die Psychologen, negative Aspekte anzusprechen?
Nein, auch mögliche Nebenwirkungen müssen angesprochen werden: Schwindel, Schlafstörungen, Verstopfung nach der OP. Es kann einem schwindelig werden, wenn man das erste Mal wieder aufsteht. Auch Fragen wie: „Gibt es Lösungen für das Problem, die ich selbst machen kann, oder gehe ich lieber zum Arzt?“ sind Thema. Patienten lernen auch mit diesen negativen Aspekten umzugehen und konzentrieren sich auf die positive Erwartung.
Wir haben übrigens zusätzlich erste Studien mit Interventionen übers Internet gemacht. Auch das bringt positive Ergebnisse, aber sie sind nicht so deutlich.
Man weiß, dass jeder Fünfte bis Zehnte die Zeit nach der Operation am Herzen als eine psychische Belastung erlebt und darunter leidet. Ängste, Alpträume und Schlafstörungen, selbst eine Depression, können die Herzpatienten noch Monate belasten. Da sollte doch jeder die Erwartungsoptimierung erhalten, oder?
Ja, sicher, da setzt die Intervention an. Man muss bedenken: Es handelt sich um eine Operation am offenen Herzen, das Brustbein wird geöffnet, man kommt an die Herzlungenmaschine. Das ist ein superbedrohliches Ereignis. Dass da jemand Zeit hat, sich mit den Patientinnen und Patienten beschäftigt, wie es weitergeht und sich kümmert, wurde sehr positiv aufgenommen. Jede Unterstützung ist willkommen und sinnvoll. Zum Beispiel waren in der Studie die Liegezeiten auf der Intensivstation niedriger, auch die Entzündungswerte im Blut. Auch biologische Veränderungen konnten wir nachweisen. Positive Erwartungen wirken auch über den Körper auf den Genesungsprozess.
Wie gelingt Genesung also besser?
Es ist keine große Psychotherapie vonnöten, sondern ein konkretes Gesprächsangebot, um sich auf die neuen Lebensumstände einzustellen. Wir erarbeiten mit den Patienten Ideen und Wünsche, wie sie selbst und ihr Leben nach der Herz-OP sein wird. Es entsteht eine Art „Roadmap“ – das ist die wichtige Take-Home-Message“.