Die Partydroge Ecstasy kann ihre Wirkung nur mit einem funktionierenden Serotoninsystem entfalten. Diese erstaunliche Erkenntnis hat ein Marburger Team aus dem Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ gewonnen. Die Ergebnisse der Forschenden um Prof. Markus Wöhr werfen ein ganz neues Licht auf grundlegende Mechanismen des Belohnungssystems und könnten große Bedeutung für die Psychotherapie haben.
MDMA braucht Sorotonin: Forscherin Tianhua Wang mit einer Laborratte
MDMA, der klassische Wirkstoff in der Partydroge Ecstasy (XTC), macht Konsumenten üblicherweise euphorisch, putscht sie auf und verstärkt deren Sinneseindrücke. Diese Reaktionen können jedoch nur auftreten, wenn im Gehirn ausreichend Serotonin vorhanden ist. Fehlt dieser auch als „Glückshormon“ bekannte Botenstoff, bleibt die Droge nahezu wirkungslos. Das zeigt eine Studie eines Forschungsteams um den Marburger Biopsychologen und Verhaltensneurowissenschaftler Prof. Markus Wöhr, der im SFB 289 das Projekt A09 leitet.
Seine Untersuchungen führte das Team an Laborratten durch, die auf MDMA normalerweise ähnlich wie Menschen reagieren. Einige der Ratten konnten jedoch aufgrund einer genetischen Veränderung kein oder kaum Serotonin produzieren. Diese Tiere zeigten nicht die üblichen Folgen, nachdem sie MDMA bekommen hatten.
Besonders überraschend für die Forschenden: Die Ratten ohne Serotonin im Gehirn wurden nach der Gabe von MDMA nicht einmal besonders aktiv. Dabei fördert die Droge im Körper die Verfügbarkeit von Dopamin – eines Botenstoffs, der üblicherweise mit Bewegungsdrang und Antrieb in Verbindung gebracht wird. „Manche Ratten schienen sogar eingeschlafen zu sein – und das in Reaktion auf ein Psychostimulans!“, beschreibt Prof. Wöhr die Beobachtungen seines Teams.
„Die Effekte hängen praktisch komplett vom Serotonin ab“, erklärt Studienleiterin Tianhua Wang. „Ohne Serotonin kommt es nicht zum Anstieg der Bewegungsaktivität.“ Ihre überraschenden Ergebnisse haben die Forschenden im Fachmagazin „British Journal of Pharmacology“ veröffentlicht. (Hier der Link zur Studie)
Ein Serotonin-Mangel könnte die Wirkung neuer klinischer Anwendungen stören
Die neuen Erkenntnisse rücken den Botenstoff Serotonin nun stärker in den Fokus der MDMA-Forschung – sowohl für die Grundlagenwissenschaft als auch für klinische Anwendungen. MDMA wird derzeit in Studien für Behandlungen in der Psychotherapie untersucht, etwa bei Posttraumatischer Belastungsstörung. Die neue Arbeit legt jedoch nahe, dass die Wirksamkeit solcher Ansätze entscheidend davon abhängen könnte, wie gut das Serotoninsystem einer Patientin oder eines Patienten funktioniert.
Auch für die Suchtforschung ergeben sich neue Perspektiven: Während man bisher davon ausging, dass vor allem Dopamin den durch MDMA ausgelösten Bewegungsdrang verursacht, zeigen die Daten des Forschungsteams, dass Serotonin dafür unverzichtbar ist – und damit eine zentrale Rolle für die typischen Aktivierungs- und Stimmungseffekte der Droge spielt.
Neue Erkenntnisse dank lachender Ratten
Für die Studie untersuchten die Forschenden das Verhalten von Ratten, denen aufgrund eines genetischen Defekts der Botenstoff Serotonin vollständig oder teilweise fehlt. Die Tiere erhielten MDMA und wurden anschließend in spezialisierten Testumgebungen beobachtet: Gemessen wurden sowohl Bewegungsaktivität als auch das Auftreten sogenannter 50-Kilohertz-Ultraschallvokalisationen, die als das „Lachen der Ratte“ interpretiert werden und als Indikator für positive Stimmung gelten. Das klare Ergebnis: Während normale Tiere nach MDMA-Gabe stark aktiv wurden und zahlreiche Freude-Laute äußerten, zeigten Ratten ohne Serotonin im Gehirn weder Aktivierung noch Anzeichen einer euphorieähnlichen Reaktion.
Die Erkenntnisse helfen dabei, die Wirkmechanismen von MDMA präziser zu verstehen – eine wichtige Grundlage, um sowohl therapeutische Anwendungen als auch Risiken des Wirkstoffs künftig besser einschätzen zu können. Da Dopamin und Serotonin auch bei der Entstehung von Placebo- und Noceboeffekten eine Rolle spielen, werfen die Ergebnisse zudem neue Fragen für die Erforschung der Auswirkungen von Behandlungserwartungen auf.