Placebo-Effekte sind bislang am besten im Zusammenhang mit Schmerzen untersucht. Doch auch das so genannte Affektsystem des Menschen mit seinen Stimmungen und Gefühlen reagiert stark auf positive und negative Erwartungen. So können Placebo-Effekte beispielsweise bis zu 80 Prozent der Wirksamkeit einer antidepressiven Behandlung ausmachen.
Mehrere Arbeitsgruppen in unserem Sonderforschungsbereich befassen sich daher mit den Auswirkungen von Behandlungserwartungen auf das Affektsystem, darunter das Projekt A06 von Prof. Stefanie Brassen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Gemeinsam mit Prof. Winfried Rief und anderen Forschenden aus unserem SFB hat sie nun in einem Experiment untersucht, wie die kognitiven Ressourcen der Betroffenen solche Placebo-Effekte beeinflussen: Welche Rolle spielen dafür Faktoren wie Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit oder die individuelle Fähigkeit, seine Emotionen zu kontrollieren?
In dem Versuch riefen die Forschenden bei gesunden Freiwilligen positive Erwartungen hervor, indem sie ihnen ein spezielles Nasenspray verabreichten und im Gespräch dessen stimmungsaufhellende Wirkung betonten. Anschließend maßen sie durch Verhaltensbeobachtungen und durch funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), wie leicht sich die Freiwilligen von ängstlichen bzw. von fröhlichen Gesichtern ablenken ließen.
Bessere Stimmung, weniger ablenkbar durch negative Reize – wenn genug Aufmerksamkeit zur Verfügung steht
Das Ergebnis: Die Placebobehandlung verbesserte die Stimmung der Probandinnen und Probanden und verringerte deren Ablenkbarkeit durch ängstliche Gesichter. Das galt allerdings umso mehr, je aufmerksamer die Teilnehmenden bei dem Versuch waren. Sowohl die Verhaltensbeobachtungen als auch die fMRT-Messungen bestätigten das. Außerdem waren die Placeboeffekte umso größer, je höher die individuelle Kontrollfähigkeit der Personen war. (Hier ist der Link zur Originalpublikation.)
Placebo-Effekte im Affektsystem hängen also in hohem Maße von den kognitiven Ressourcen der Betroffenen ab – zumindest dann, wenn die positiven Erwartungen nur im Gespräch und ohne vorherige Lernerfahrung erzeugt werden. Das könnte für die Behandlung von depressiven Personen von Nachteil sein: Denn diese Menschen reagieren oft verstärkt auf negative Reize; gleichzeitig fällt es ihnen krankheitsbedingt in der Regel schwerer, sich zu konzentrieren oder ihre Emotionen zu kontrollieren.
Wie es gelingen kann, positive Erwartungen im Affektsystem auch ohne verbale Anweisungen und ohne Inanspruchnahme größerer kognitiver Ressourcen zu erzeugen, erforscht Projekt A06 in der zweiten Förderphase unseres Sonderforschungsbereichs.
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