Chronische Schmerzen im Rücken sind die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland. © iStock.com/Wavebreakmedia
Chronische Schmerzen im Rücken sind die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland. © iStock.com/Wavebreakmedia
Wie können Erwartungseffekte helfen, um Schmerzen nach einer Hüftoperation zu verringern?
Viele Menschen benötigen im fortgeschrittenen Alter ein künstliches Hüftgelenk. Dementsprechend ist die Totalendoprothese des Hüftgelenkes (Hüft-TEP) eine der am häufigsten durchgeführten, großen orthopädischen Operationen. Die Patientinnen und Patienten entscheiden sich für diesen Eingriff, weil sie unter Schmerzen und erhebliche Bewegungseinschränkungen leiden. Die dann bevorstehende Operation ist eine emotionale Stresssituation. Auch bestehen nach dem Eingriff, wie nach jeder Operation, zunächst akute Schmerzen. Starke postoperative Schmerzen wiederum stellen jedoch ein Risiko für chronische Schmerzen und schmerzbedingte Behinderungen dar.
Patienten mit negativen Erwartungen an ihre Operation tendieren eher dazu, diese Schmerzen und Beeinträchtigungen nach der Operation aufrechtzuerhalten. Genau an diesem Punkt, nämlich an den Erwartungen der Patienten und Patientinnen, ist es entscheidend einzugreifen und diese positiv zu beeinflussen. In Projekt A13 erforschen wir, wie wir vor einer Operation die Behandlungserwartungen der Patienten positiv beeinflussen können, um durch eine zuversichtliche Haltung Schmerzen und Beeinträchtigungen zu lindern.
Ärztliche Kommunikation und Beobachtungen an anderen beeinflussen das Schmerzempfinden
Während der ersten Förderperiode unseres Sonderforschungsbereichs konnten wir in Projekt A13 bereits zeigen, dass negative Behandlungserwartungen vor einer Knie-TEP-Operation zu stärkeren Schmerzen nach der OP führten und dass eine verbesserte ärztliche Kommunikation einen positiven Einfluss auf die Schmerzen hatte. Bei Personen mit chronischen Rückenschmerzen konnten wir zudem zeigen, dass positive Erwartungen durch die Beobachtung anderer Betroffener die eigene Behandlung mit Schmerzmedikamenten oder mit offen verabreichten Placebos verbesserte. Wenn Patientinnen und Patienten erleben, dass eine Therapie bei jemand anderem erfolgreich war, gehen sie selbst optimistischer an den Eingriff heran – und haben anschließend durchschnittlich weniger Schmerzen.
Konkrete Konzepte für den klinischen Alltag
In der zweiten Förderperiode dehnen wir diese Forschung auf Erwartungseffekte bei und Schmerzen nach Hüftoperationen aus. Unser Ziel ist es, konkrete Konzepte zur Verbesserung der Behandlungserwartungen zu entwickeln, die im klinischen Alltag nutzbar sind und den Betroffenen nach einer Hüft-TEP-Operation helfen. Dafür bauen wir wieder auf beiden Säulen der Erwartungsmodulation auf: der Arzt-Patienten-Kommunikation und dem Beobachtungslernen, sowie zusätzlich auf der Kombination aus beiden.
Wie sollte eine Ärztin oder ein Arzt mit Betroffenen kommunizieren, damit diese durch optimierte Erwartungen die Chance auf einen größeren Therapieerfolg und weniger postoperative Schmerzen haben? Lassen sich positive soziale Beobachtungen etwa durch Patienten-Videos so gestalten, dass sie im Klinikalltag effizient einsetzbar sind? Zeigen sich mögliche positive Behandlungseffekte dieser Interventionen auch in objektiven, physiologischen Parametern der Patienten? Mit den Antworten auf diese Fragen könnte Projekt A13 eine bereits sinnvolle Behandlung noch einmal verbessern und vor allem die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten steigern.
Schmitz J, Müller M, Stork J, Eichler I, Zöllner C, Flor H, Klinger R (2019) Positive Treatment Expectancies Reduce Clinical Pain and Perceived Limitations in Movement Ability Despite Increased Experimental Pain: A Randomized Controlled Trial on Sham Opioid Infusion in Patients with Chronic Back Pain. Psychother Psychosom 88(4):203-214. PubMed
Klinger R, Matter N, Kothe R, Dahme B, Hofmann U, Krug F (2010) Unconditioned and Conditioned Muscular Responses in Patients with Chronic Back Pain and Chronic Tension-Type Headaches and in Healthy Controls. Pain 150 66-74. PubMed
Christiansen S, Oettingen G, Dahme B, Klinger R (2010) A short goal-pursuit intervention to improve physical capacity: A randomized clinical trial in chronic back pain patients. Pain 149 (3), 444-452. PubMed
In enger Zusammenarbeit mit folgenden Projekten:
Wie wir selbst Erwartungen erzeugen – und was Aufmerksamkeit damit zu tun hat
Prof. Dr. Christian Büchel
Wie Erwartungen Bauchschmerzen beeinflussen – und wie umgekehrt Schmerzerfahrungen die Therapieerwartungen verändern
Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
PD Dr. Julian Kleine-Borgmann
Auf welchen neurobiologischen Mechanismen beruhen negative Behandlungserwartungen?
Prof. Dr. Harald Engler
Dr. Laura Heiß-Lückemann
Wie wirken sich Gespräche mit dem Arzt oder der Ärztin auf Entzündungssymptome und ihre Behandlung aus?
Prof. Dr. Sven Benson
Prof. Dr. Hana Rohn
Weniger Sorgen, mehr Optimismus: Lassen sich antidepressive Behandlungen in Echtzeit verbessern?
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc
Prof. Dr. Winfried Rief
Wie können optimierte Erwartungen bei internetbasierten Interventionen gegen Depressionen helfen?
Prof. Dr. Winfried Rief
Prof. Dr. Christine Knaevelsrud
Wie geht es anderen – und was heißt das für mich?
PD Dr. Jan Haaker
Prof. Dr. Christiane Melzig
Wärme, Kompetenz und mehr: Was Behandelnde mit ihrer Kommunikation bewirken können
Prof. Dr. Helen Blank
Prof. Dr. Katja Wiech
Projektleitung
PD Dr. Regine Klinger
Psychologin
Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
Psychologin
Mitarbeitende
Dr. Julia Stuhlreyer
Postdoc, Psychologin
Marie Schwartz
Postdoc, Psychologin
Dr. Johannes Wessels
Clinician Scientist