Können Placebos heilen helfen? Eine Frau erhält im Rahmen einer Studie grüne Lavendelmilch

„Wenn wir diese Mechanismen nicht nutzen, verschenken wir einen großen Teil der Wirksamkeit“

„Gut zu wissen“ im Bayrischen Rundfunk

Können Placebos wirklich heilen helfen? Dieser Frage geht eine Reportage der ARD nach. Gleich mehrere Mitglieder unseres Sonderforschungsbereichs haben die Autorin Jutta Henkel bei ihrer Reportage unterstützt.

Zwei Frauen folgt der Bayerische Rundfunk in seiner Fernsehreihe „Gut zu wissen“ über einige Wochen bei sehr unterschiedlichen Therapien: Die eine sucht nach Hilfe gegen ihre starken Menstruationsschmerzen; die andere hofft auf Linderung für ihre Schuppenflechte (Psoriasis). Was beide Patientinnen vereint: Sie erhalten Placebos – die eine bewusst, die andere ohne ihr Wissen im Rahmen einer Studie.  

Dass Pillen auch ohne oder mit sehr wenig Wirkstoff eine Wirkung entfalten können, ist seit Langem bekannt. Wie Behandelnde mithilfe von Placebos Arzneistoffe gezielt ersetzen oder Therapien unterstützen können, ist jedoch ein höchst aktuelles Forschungsgebiet – in dem auch mehrere Projekte aus dem Sonderforschungsbereich 289 „Treatment Expectation“ aktiv sind.

Lerneffekte nutzen, um Nebenwirkungen zu verringern

Kann eine wirkstoffreie, grüne Lavendelmilch helfen, die notwendige Dosis eines teuren Immunsuppressivums gegen Schuppenflechte zu senken? Diese Frage versucht eine Studie aus dem SFB 289 am Universitätsklinikum Essen zu klären. „Das Ziel ist, rein durch die Präsentation des grünen Getränks die immunologischen Reaktionen im Körper der Patientin so ablaufen zu lassen, wie wenn sie das Medikament bekommen hätte", erklärt Prof. Wiebke Sondermann, Oberärztin und Leiterin des Psoriasis-Schwerpunkts der Universitätshautklinik Essen. Gelingt das Verfahren, könnten nicht nur Kosten für das Gesundheitssystem, sondern vor allem auch Nebenwirkungen für die betroffenen Patientinnen und Patienten verringert werden.

„Studien zeigen, dass durch den Einsatz dieser Mechanismen – die Erwartung der Patienten und Patientinnen zu nutzen, aber auch Lerneffekte zu nutzen – die Wirksamkeit von Medikamenten um 20, 30, manchmal sogar 50 Prozent gesteigert werden kann", sagt Prof. Manfred Schedlowski, Leiter des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie in Essen. Er ist überzeugt: „Wenn wir diese Mechanismen nicht nutzen, verschenken wir
einen Teil, oft sogar einen Großteil der Wirksamkeit der medizinischen Intervention.“

Bieten Placebo-Mechanismen einen evolutionären Vorteil?

Die physiologischen Grundlagen dieser Mechanismen erforscht Prof. Christian Büchel an seinem Institut für Systemische Neurowissenschaften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Der Leiter des SFB-289-Projekts A02 sieht darin einen evolutionären Anpassungsmechanismus: „Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer extremen Gefahrensituation, haben aber einen großen Schmerzreiz. Dann brauchen Sie ein System, das diesen Schmerz auf Null herunterreguliert, damit sie trotzdem noch reagieren und sich verteidigen oder einfach wegrennen können."

Entsprechend kann unser Körper selbst die Übertragung von Schmerzreizen steuern – aber auch in andere Abläufe etwa im Immunsystem eingreifen. Ob das genügt, um der Psoriasis-Patientin trotz deutlich verringerter Wirkstoffdosis zu helfen, versucht die BR-Reportage „Täuschung als Therapie – Das Rätsel des Placebo-Effekts“ zu klären. 

Ein spannender Einblick in die Macht der Erwartung – und der Lerneffekte: ab sofort in der ARD-Mediathek.