„Sie selbst beeinflussen mit, ob eine Behandlung erfolgreich oder vielleicht auch weniger erfolgreich verläuft” – in ihrem neuen Buch erklären Prof. Sven Benson und Prof. Ulrike Bingel, wie Patienten und Patientinnen die Macht der Erwartung für ihre eigene Gesundheit nutzen können.

Buch Dein Koerper glaubt dir alles quer Tasse web"Dein Körper glaubt dir alles": Wie positive Erwartungen unsere Gesundheit stärken können, verraten Prof. Ulrike Bingel und Prof. Sven Benson in ihrem neuen Buch. (Herbig/Franckh-Kosmos, 22 Euro)

 

Positive Erwartungen können Krankheitssymptome lindern und den Erfolg von Therapien unterstützen. Negative Erwartungen hingegen können das Gegenteil bewirken – und bei Medikamenten zum Beispiel mögliche Nebenwirkungen auslösen oder verstärken. Aber wie entstehen diese so genannten Placebo- und Nocebo-Effekte? Wie wirken sie sich aus? Und auf welche Weise kann dieses Wissen ganz konkret bei Arztbesuchen und Krankheiten helfen? Diese Fragen beantworten die Neurologin Ulrike Bingel und der Psychologe Sven Benson aus dem SFB/TRR 289 „Treatment Expectation” in ihrem Buch „Dein Körper glaubt dir alles – Wie der Placebo-Effekt die Gesundheit stärkt”. 

Erwartungen können eine enorme Wirkung entfalten

Schon in der Antike wussten Gelehrte wie der Philosoph Platon und der Mediziner Galen von Pergamon, dass eine ärztliche Behandlung davon profitiert, wenn die Patientin oder der Patient fest an deren Wirkung glaubt. Archaische Behandlungen, etwa von Medizinmännern oder Schamanen, sind seit Jahrtausenden eng verbunden mit klaren Ritualen, die gezielt positive Behandlungserwartungen wecken – und dadurch bei den Behandelten Selbstheilungskräfte in Gang setzen können.   

Umso erstaunlicher ist es, dass die moderne Medizin nur selten bewusst Gebrauch von diesen Effekten macht. Denn, und diese Feststellung ist Bingel und Benson wichtig: Placebo-Effekte und ihre negativen Gegenstücke, die Nocebo-Effekte, sind keine Einbildung. Sondern sie sind wissenschaftlich gut belegte körperliche Reaktionen auf positive und negative Erwartungen, die auf einer molekularen und neurophysiologischen Ebene nachweisbar sind. „Was wir als Placebo-Effekt und Nocebo-Effekt bezeichnen, geschieht in uns”, schreiben die beiden Experten. Und weiter: „Sie selbst als Patientinnen und Patienten stoßen diese Effekte an.”

Die moderne Medizin muss umdenken – zum Wohl der Patienten

Was jeder und jede Einzelne tun kann, um für die eigene Gesundheit von Placebo-Effekten zu profitieren (und Nocebo-Effekte zu vermeiden), beschreiben Sven Benson und Ulrike Bingel vor dem Hintergrund ihrer Erfahrung als Forschende, aber auch als Behandelnde. Und sie stellen in ihrem Buch auch Forderungen auf: Denn um die Macht der Erwartung wirklich zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu nutzen, muss sich die moderne Medizin an vielen Stellen verändern.

„Was wir brauchen, ist eine wissenschaftlich fundierte Medizin, die die Mechanismen nutzt, die wir aus der Placebo-Forschung kennen”, so Benson und Bingel. Das bedeute unter anderem ein Umdenken in der Medikamentenforschung und neue Impulse für die Aus- und Weiterbildung. Vor allem aber bräuchten Behandelnde mehr Zeit für eine empathische, verständliche und patientenzentrierte Kommunikation: „Eine gute Kommunikation und ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Therapeut und Patient sind die Basis für die so wichtigen, unterstützenden Erwartungseffekte.”