Podcast "Pin-Up-Docs"
"Placebo-Effekte sind Teil von allen Interventionen, die wir machen", sagt Dr. Jana Aulenkamp. Als Anästhesistin am Universitätsklinikum Essen und Clinician Scientist in Projekt A04 des Sonderforschungsbereichs 289 "Treatment Expectation" kennt sie sich sowohl mit der medizinischen als auch mit der wissenschaftlichen Seite des Phänomens aus: "Wir sind ja tagtäglich mit Sorgen, Ängsten, Nöten, Schlafproblemen, Stress, Schmerz und so weiter konfrontiert." Und je mehr eine Behandlung mit solchen Empfindungen verbunden ist, umso größer seien Placebo-, aber auch die negativen Nocebo-Effekte.
In einer aktuellen Folge des Podcasts "Pin-Up-Docs" sprechen Jana Aulenkamp und Dr. Johannes Wessels vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit Gastgeber Thorben Doll darüber, wie sich das Wissen über Placebo- und Nocebo-Effekte in der Anästhesiologie effektiv anwenden lässt –und warum das noch zu selten geschieht. Im Zentrum steht dabei die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten. Denn gerade in der Anästhesiologie mit ihren fünf Bereichen Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin kann eine gelungene Kommunikation mit den Betroffenen vielen Ängsten entgegenwirken und den Therapieerfolg unterstützen – und eine misslungene Kommunikation andererseits großen Schaden anrichten.
Kommunikation ist zentral, um Placebo-Effekte zu nutzen und Nocebo-Effekte zu vermeiden
"Richtige Kommunikation wird einem leider nicht beigebracht", klagt Dr. Wessels, der ebenfalls Anästhesist und Forscher im SFB 289 ist: "Das kommt erst mit der Zeit und der Erfahrung." Zudem stünden die Ärztinnen und Ärzte täglich unter großem Zeitdruck, etwa in der vollen Ambulanz. "Ich kann mir vorstellen, dass dadurch einige auf der Strecke bleiben, denen man mehr Sorgen nehmen könnte." Gerade der Anästhesie komme jedoch eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, Placebo-Effekte zu nutzen und Nocebo-Effekte zu vermeiden: "Wir sind nun einmal die Letzten, die eine Patientin oder ein Patient sieht, bevor die OP beginnt", so Wessels. Deshalb ist er sicher: "Wir brauchen eine bessere Kommunikation, um unsere Therapien zu verbessern."
Für Dr. Aulenkamp ist es dabei wichtig, genau abzuwägen, welche Informationen für die einzelne Person sinnvoll sind – und welche vielleicht besser weggelassen werden. "Wir sollten mit den Patientinnen und Patienten auch darüber reden, inwieweit sie überhaupt aufgeklärt werden wollen", sagt Aulenkamp. Denn zu viel Information könne auch schaden, etwa wenn dadurch Ängste geweckt werden: "Wichtig ist, auch in der Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen einer Behandlung die Autonomie der Betroffenen zu berücksichtigen."
Die ganze Podcast-Folge steht auf der Website von "Pin-Up-Docs" zum Anhören oder als Download bereit. Das Gespräch mit Dr. Aulenkamp und Dr. Wessels beginnt ab Stunde 2:08.