Schätzungsweise 1,5 Milliarden Tagesdosen an Tabletten zur Behandlung von Depressionen werden jährlich in Deutschland verordnet. © atelierk/stock.adobe.com
Schätzungsweise 1,5 Milliarden Tagesdosen an Tabletten zur Behandlung von Depressionen werden jährlich in Deutschland verordnet. © atelierk/stock.adobe.com
Weniger Sorgen, mehr Optimismus: Lassen sich antidepressive Behandlungen in Echtzeit verbessern?
Bei Behandlungen mit Antidepressiva treten häufig starke Placebo- und Nocebo-Effekte auf. Gehe ich davon aus, dass die Therapie wirkt? Befürchte ich Nebenwirkungen? Und falls ja, wie gut glaube ich mit diesen klarzukommen? Solche Fragen beantworten Patientinnen und Patienten sehr unterschiedlich – und beeinflussen damit unbewusst den Verlauf ihrer Therapie. Vor allem wenn sie bereits eine Reihe von fehlgeschlagenen Therapieversuchen durchlebt haben, sind Menschen mit Depressionen neuen Behandlungen gegenüber oft negativ eingestellt, haben wenig Hoffnung auf Besserung und große Sorge vor unangenehmen Nebenwirkungen. Das jedoch hat einen enormen Einfluss auf den Erfolg der Therapie.
Die Angst vor Nebenwirkungen kann Nebenwirkungen verstärken
Negative Behandlungserwartungen können die Wirkung einer antidepressiven Behandlung stark einschränken, das haben unsere Untersuchungen in Projekt A15 während der ersten Förderphase unseres Sonderforschungsbereichs gezeigt. Das betrifft auf der einen Seite die Wirkung des Antidepressivums selbst: Wer keinen Nutzen von einem Wirkstoff erwartet, hat auch weniger Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie. Auf der anderen Seite vergrößert die Sorge vor Nebenwirkungen das Risiko, tatsächlich unangenehme Begleiterscheinungen zu erfahren – und das wiederum ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb Patientinnen und Patienten eine Therapie abbrechen.
Just-in-Time-adaptive Interventionen zur Optimierung der Behandlungserwartungen
Um Menschen mit Depressionen besser helfen zu können, arbeiten wir in der zweiten Förderperiode an einem neuartigen Konzept, das negativen Behandlungserwartungen entgegenwirken und dadurch die Therapieerfolge verbessern soll. Dabei kommen so genannte „Just-in-Time-adaptive Interventionen“ (JITAI) zum Einsatz: Die teilnehmenden Personen erhalten täglich individuelle Rückmeldungen, die an ihre aktuelle Erwartungshaltung angepasst sind. Kann man auf diesem Wege negative Erwartungen frühzeitig verringern und die Behandlungserwartungen der Betroffenen insgesamt verbessern? Erfahren die Personen dadurch weniger Nebenwirkungen, und führen Sie die Behandlung häufiger fort? Wie wirken sich die kurzfristigen Interventionen auf den langfristigen Erfolg der antidepressiven Behandlung aus? An dieses Fragen forschen wir in Projekt A15 in den kommenden Jahren.
Nestoriuc Y, Orav EJ, Liang MH, Horne R, Barsky AJ (2010) Prediction of nonspecific side effects in rheumatoid arthritis patients by beliefs about medicines. Arthritis Care Res. 62:791-9. PubMed
Nestoriuc Y, v Blanckenburg P, Schuricht F, Barsky AJ, Hadji P, Albert US, Rief W (2016) Is it best to expect the worst? Influence of patients’ side effect expectations on endocrine treatment outcome in a two-year prospective clinical cohort study. Ann Onc. 27:1909-1915. PubMed
Sass K, Habel U, Kellermann T, Mathiak K, Gauggel S, Kircher T (2014) The influence of positive and negative emotional associations on semantic processing in depression: an fMRI study. Hum Brain Mapp 35:471-82. PubMed
Aktuelles aus diesem Projekt
- Wie beeinflusst uns der Nocebo-Effekt während der Pandemie? 16. Dezember 2020
- DGPPN Kongress 2020 - Online-Vorträge 18. Februar 2021
- New Publication: Informing About the Nocebo Effect Affects Patients’ Need for Information About Antidepressants - An Experimental Online Study 01. September 2021
- Noceboeffekt erschwert Absetzen von Antidepressiva 04. März 2022
- Antidepressiva: Was gilt es zu beachten? 22. November 2022
- Podcastauftritt bei WissenWeekly zum Absetzen von Antidepressiva 10. Juli 2023
- Depression: Raus aus der Abwärtsspirale 23. Juli 2024
- „Über Nebenwirkungen einer Psychotherapie aufzuklären, kann Patienten sogar stärken“ 29. September 2024
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In enger Zusammenarbeit mit folgenden Projekten:
Wie steuern Erwartungen unsere Emotionen – und was hat Aufmerksamkeit damit zu tun?
Prof. Dr. Stefanie Brassen
Verbessern positive Erwartungen die Wirksamkeit von Antidepressiva?
Prof. Dr. Tilo Kircher
PD Dr. Irina Falkenberg
Dieses Projekt ist beendet.
Wie wirken sich Gespräche mit dem Arzt oder der Ärztin auf Entzündungssymptome und ihre Behandlung aus?
Prof. Dr. Sven Benson
Prof. Dr. Hana Rohn
Wie lassen sich Erwartungen nutzen, um Psoriasis besser zu behandeln?
Prof. Dr. Wiebke Sondermann
Prof. Dr. Sven Benson
Wie können Erwartungseffekte helfen, um Schmerzen nach einer Hüftoperation zu verringern?
PD Dr. Regine Klinger
Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
Wie können optimierte Erwartungen bei internetbasierten Interventionen gegen Depressionen helfen?
Prof. Dr. Winfried Rief
Prof. Dr. Christine Knaevelsrud
Projektleitung
Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc
Psychologin

Prof. Dr. Winfried Rief
Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut
Mitarbeitende
Dr. Ann-Katrin Meyrose
Postdoc, Psychologin
Markus Wim Stratmann
Doktorand