Auch Nebenwirkungen können ansteckend sein: Menschen empfinden eher und größere Atemnot, wenn sie diese zuvor an anderen gesehen haben. Foto: © 8photo auf Freepik
Auch Nebenwirkungen können ansteckend sein: Menschen empfinden eher und größere Atemnot, wenn sie diese zuvor an anderen gesehen haben. Foto: © 8photo auf Freepik
Wie geht es anderen – und was heißt das für mich?
Im Alltag beobachten wir alle oft, wie es anderen Menschen mit einer Erkrankung geht. Wir sehen, wie sie von einer Behandlung profitieren oder mit Nebenwirkungen zu kämpfen haben. Solche sozialen Erfahrungen wecken bei uns Erwartungen, wie es uns selbst in der gleichen Situation ergehen könnte – und können so wiederum den Verlauf einer eigenen Krankheit oder Therapie beeinflussen. So steigern beispielsweise positive Erwartungen an eine Therapie deren Erfolgschancen, und wenn wir Nebenwirkungen befürchten, haben wir ein größeres Risiko, diese auch tatsächlich zu erfahren.
Menschen ahnen oft nur, wie es anderen geht – und reagieren trotzdem darauf
Allerdings sind Beobachtungen der Symptome anderer Menschen selten eindeutig. Das gilt insbesondere dann, wenn wir aufgrund einer äußerlichen Beobachtung auf eine innerliche Erfahrung von Personen schließen müssen. Ein Beispiel dafür sind Atembeschwerden: Wie stark diese sind und wie sie sich genau anfühlen, können wir nur aus den oftmals sehr unterschiedlichen äußerlichen Reaktionen der Betroffenen erahnen. Trotzdem empfinden Menschen eher und größere Atemnot, wenn sie diese zuvor an anderen Menschen gesehen haben.
Wie funktioniert die soziale Übertragung von Krankheitssymptomen?
Wie die soziale Übertragung von negativen Symptomen funktioniert, erforschen Forscherinnen und Forscher aus unserem SFB/TRR 289 in dem neuen Projekt A18. Wie reagieren Personen darauf, wenn sie sehr unterschiedliche Ausmaße von Atemschwierigkeiten an anderen beobachten? Und wie reagieren sie selbst auf eine Beeinträchtigung des Atmens, nachdem sie unterschiedliche soziale Beobachtungen gemacht haben? Diesen Fragen gehen wir in Experimenten an gesunden Freiwilligen nach.
Welche Rolle spielt das körpereigene Opioidsystem?
Darüber hinaus erforschen wir in Projekt A18 die neuronalen Prozesse, die der Verarbeitung der sozialen Beobachtung von Atembeschwerden zugrunde liegt. Welche Gehirnareale daran in welcher Form beteiligt sind und welche Rolle dabei das körpereigene Opioidsystem spielt, untersuchen wir mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Im Zusammenspiel mit den Ergebnissen anderer Projekte sollen diese Erkenntnisse schließlich auch Hinweise darauf geben, ob Menschen ihre Erwartungen aufgrund von sozialen Beobachtungen auf andere unangenehme Erfahrungen verallgemeinern: Nimmt man eigene Schmerzen anders wahr, wenn man zuvor Menschen unter Atemnot beobachtet hat? Reagiert man auf positive Erfahrungen wie etwa eine beruhigende Berührung anders? Diese Fragen können im medizinischen Alltag eine große Bedeutung haben, um langfristig das Wohlbefinden und die Verträglichkeit von Therapien zu unterstützen.
Benke C, Alius MG, Hamm AO, Pané-Farré CA. Decreased defensive reactivity to interoceptive threat after successful exposure-based psychotherapy in patients with panic disorder. Translational Psychiatry 2021; 11(1):177. doi:10.1038/s41398-021-01298-7
Benke C, Alius MG, Hamm AO, Pané-Farré CA. Defensive Mobilization During Anticipation of Symptom Provocation: Association With Panic Pathology. Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging 2023; 8(4):397–405. doi:10.1016/j.bpsc.2021.11.005
Haaker J*, Diaz-Mataix L*, Guillazo-Blanch G, Stark SA, Kern L, LeDoux JE , Olsson A. Observation of others’ threat reactions recovers memories previously shaped by firsthand experiences. Proceedings of the National Academy of Sciences 2021; 118(30):e2101290118. doi:10.1073/pnas.2101290118; *=equal contribution.
Tinnermann A, Büchel C, Haaker J. Observation of others’ painful heat stimulation involves responses in the spinal cord. Science Advances 2021; 7(14):eabe8444. doi:10.1126/sciadv.abe8444
In enger Zusammenarbeit mit folgenden Projekten:
Wie wir selbst Erwartungen erzeugen – und was Aufmerksamkeit damit zu tun hat
Prof. Dr. Christian Büchel
Wie Erwartungen Bauchschmerzen beeinflussen – und wie umgekehrt Schmerzerfahrungen die Therapieerwartungen verändern
Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
PD Dr. Julian Kleine-Borgmann
Gesünder altern durch positives Denken?
Prof. Dr. Stefanie Brassen
Verbessern positive Erwartungen die Wirksamkeit von Antidepressiva?
Prof. Dr. Tilo Kircher
PD Dr. Irina Falkenberg
Dieses Projekt ist beendet.
Wie beeinflussen soziale Beobachtungen die Wirksamkeit von Antidepressiva?
Prof. Dr. Markus Wöhr
Wie wirken sich Gespräche mit dem Arzt oder der Ärztin auf Entzündungssymptome und ihre Behandlung aus?
Prof. Dr. Sven Benson
Prof. Dr. Hana Rohn
Wie können Erwartungseffekte helfen, um Schmerzen nach einer Hüftoperation zu verringern?
PD Dr. Regine Klinger
Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch
Projektleitung
Dr. Jan Haaker
Pharmazeut, Neurowissenschaftler
Prof. Dr. Christiane Melzig
Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin
Mitarbeitende
Dr. Christoph Benke
Postdoc, Psychologe
Dr. Lara Hille
Clinician Scientist
Dr. Simon Knobloch
Clinician Scientist