Wie können wir die Erwartungen von Behandelten optimieren, um den Erfolg von Therapien zu steigern? An dieser Frage forscht Prof. Dr. Johannes Laferton. Dabei arbeitet er auch mit Teams aus unserem SFB zusammen – und ist deshalb als neues assoziiertes Mitglied in unserem Forschungsverbund höchst willkommen. Im Interview erklärt er seine aktuellen Projekte.
Erwartungen sind ein wesentlicher Wirkmechanismus von Placebo- und Noceboeffekten und damit ein vielfach belegter Einflussfaktor für den Erfolg medizinischer Behandlungen. Prof. Dr. Johannes Laferton, seit 2020 Professor für Medizinische Psychologie und Psychologischer Psychotherapeut an der damals neu gegründeten HMU Health and Medical University Potsdam, erforscht seit langem, wie sich die Erwartungen von Patienten und Patientinnen optimieren lassen.
Im Juni 2025 initiierte Laferton einen gemeinsamen, vielbeachteten Beitrag mit Prof. Meike Shedden Mora und Prof. Winfried Rief aus dem SFB 289 „Treatment Expectation“ für das Journal of the American Medical Association (JAMA). Im Rahmen der Serie „JAMA Insights – Communicating Medicine“ erläutern die drei Forschenden darin vier evidenz-basierte Kommunikationsstrategien, mit denen Behandelnde positive Erwartungseffekte konkret fördern können.
Prof. Laferton ist neues assoziiertes Mitglied im SFB 289. Mit seiner Forschung bringt er gleich mehrere Anknüpfungspunkte zu bestehenden Projekten des SFB 289 mit: etwa zu den Projekten A09 und A15 bei antidepressiven Behandlungen und A13 zum Thema Hüftoperationen.
Erwartungsoptimierung als Forschungsschwerpunkt: Prof. Johannes Laferton über seine aktuellen Forschungsschwerpunkte
Wie beeinflussen die Erwartungen von Patienten und Patientinnen den Erfolg von Behandlungen mit Antidepressiva oder den Genesungsprozess nach einer Knie-OP? Wie wirken sich Therapien wiederum auf Erwartungen aus? Und wie können Behandelnde positive Erwartungen stärken, um die Erfolgschancen von Therapien zu vergrößern? Im Spannungsfeld zwischen diesen Fragen forscht Johannes Laferton an der HMU Health and Medical University Potsdam.
Professor Laferton, woher kommt Ihr Interesse an dem komplexen Feld „Erwartungsoptimierung“?
Es ist für mich eine der zentralen Fragen, wie wir als Therapeuten und Therapeutinnen helfen können, dass Patienten und Patientinnen zu einer positiveren Erwartungshaltung finden. Ich habe bereits in der PSY-Heart Studie bei Prof. Winfried Rief in Marburg mitgearbeitet. Dort konnten wir zeigen, dass man mit einfachen psychologischen Interventionen bei Patienten vor einer Herzoperation die Erwartungen optimieren und dadurch den Behandlungserfolg zusätzlich steigern kann. Das war bereits 2017 ein gutes Beispiel dafür, welch großen Einfluss das Thematisieren der individuellen Behandlungserwartungen bei Patienten und Patientinnen haben kann.
Sie haben einen Posterpreis auf der SIPS in Krakau für ihr Projekt „Dynamiken von PatientInnen-Erwartungen in der Antidepressiva-Behandlung“ gewonnen. Was ist der entscheidende Aspekt?
In der Vergangenheit wurden die Erwartungen im Rahmen von Antidepressiva-Behandlungen fast ausschließlich in randomisiert kontrollierten Studien erhoben. Häufig wurden Erwartungen dabei nur einmal, am Anfang oder am Ende der Behandlung, erfragt. Dadurch ist es bis heute schwierig, erstens das genaue Zusammenspiel zwischen der Antidepressiva-Behandlung und den Erwartungen und zweitens den Zusammenhang zwischen den Erwartungen und dem Behandlungseffekt von Antidepressiva-Behandlungen in der klinischen Praxis genauer zu verstehen.
Ziel unserer neuen Studie ist es, Aspekte der Antidepressiva-Behandlung wie die Symptomveränderung, Nebenwirkungen, Interaktion mit den BehandlerInnen und Behandlungserwartungen wiederholt über den Verlauf zu erfassen und dadurch deren gegenseitige Dynamik genauer zu verstehen.
Haben Sie eine Hypothese?
Hypothese 1 ist: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Veränderung von Erwartungen und dem Verlauf der depressiven Symptomatik und der Nebenwirkungen im Rahmen der Antidepressiva-Behandlung. Hypothese 2 ist: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf von depressiver Symptomatik und Nebenwirkungen mit der Veränderung der Erwartungen im Rahmen der Antidepressiva-Behandlung. Und Hypothese 3 ist: Die positive Behandler-Patienten-Interaktion hängt zusammen mit Erwartungen und dem Verlauf von depressiver Symptomatik und Nebenwirkungen im Rahmen der Antidepressiva-Behandlung.
Das klingt kompliziert. Ist das eine Henne-Ei-Fragestellung?
Ja, im Prinzip schon. Gibt es von Tag zu Tag Veränderungen in der Erwartung, und hängen diese Veränderungen mit therapeutischen Verbesserungen oder Verschlechterungen zusammen? Oder auch mit der Kommunikation zwischen TherapeutInnen und PatientInnen? Zu diesem Zusammenspiel gibt es in der normale Routineversorgung bei der Antidepressiva-Behandlung noch kaum Forschung. Wir nutzen dazu eine Handy-App, in der Patienten und Patientinnen jeden Abend in zwei bis drei Minuten Fragen zu Erwartungen, depressiven Beschwerden und Nebenwirkungen beantworten. Etwa 100 Patienten und Patientinnen werden so einbezogen.
Welche Konsequenzen können ihre Ergebnisse haben?
Wenn wir das genaue Zusammenspiel von Erwartungen, Behandlungserfolg und Nebenwirkungen bei der Antidepressiva-Behandlung besser verstehen, kann uns das helfen, Interventionen zur Erwartungsoptimierung gezielter einzusetzen. Entweder in dem man den Behandelnden bestimmte Kommunikationsstrategien zur Erwartungsoptimierung vorschlägt oder in dem man versucht, direkt die Erwartungen der Patienten zum Beispiel über digitale Gesundheitsanwendungen zu adressieren.
In einem neuen Projekt, das gerade anläuft, untersuchen Sie verschiedene Patientengruppen vor einer Kniegelenksersatz-Operation. Was wollen Sie genau herausfinden?
Wir wollen wissen, wie man mit verschiedenen Techniken die Behandlungserwartung bei Kniegelenksersatz-Operationen optimieren kann. Bei jeder Therapie überlegt ja ein Patient vorab: Ist das die richtige Therapie, wie wird sie bei mir wirken, werde ich Nebenwirkungen haben, wie schnell wird es mir dann besser gehen? Das gilt für psychische Beschwerden genauso wie für primär körperlichen Beschwerden.
Die Kniegelenksersatz-Operation ist einer der häufigsten chirurgischen Eingriffe weltweit. Vielen Patienten und Patientinnen geht es nach der Operation deutlich besser, aber zehn bis 20 Prozent der Operierten sind nicht mit dem Ergebnis zufrieden oder haben auch nach der OP weiterhin chronische Schmerzen. Aus bisherigen Studien wissen wir, dass die Erwartungen von Patienten und Patientinnen vor der Knieoperation im Zusammenhang mit dem Operationserfolg stehen: Personen mit positiven Erwartungen haben auch bessere Operationsergebnisse.
Unsere Frage ist nun: Kann man diese Erwartungen vor der Knieoperation konkret adressieren, um damit das Operationsergebnis noch weiter zu verbessern? Dafür wollen wir in einem ersten Schritt geeignete Kommunikationsstrategien testen. Hierfür bekommen in einer Machbarkeitsstudie Patienten, die zur Knie-OP angemeldet sind, von uns das Arbeitsheft „Mein OP-Coach“, mit dem sie sich zu realistisch-positiven Erwartungen bezüglich der Operation und dem Leben danach informieren können. Zusätzlich führen wir im Anschluss an jedes der drei Kapitel im Arbeitsheft ein etwa 30-minütiges Gespräch per (Video-)Telefonie, um gemeinsam mit den Patienten und Patientinnen personalisierte, realistisch-positive Erwartungen zu entwickeln. Ergebnisse erwarten wir 2026. Wenn die Erwartungsoptimierung von den Patienten und Patientinnen als hilfreich bewertet wird, wollen wir in einer größeren Studie untersuchen, ob sich damit auch das Operationsergebnis weiter verbessern lässt.
Link zur JAMA Publikation:
Laferton JAC, Rief W, Shedden-Mora M. Improving Patients’ Treatment Expectations. JAMA. Published online June 04, 2025. doi:10.1001/jama.2025.6261
https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2834861
Im Podcast mit Prof. Johannes Laferton erfahren Sie weitere Details:
JAMA Podcast Clinical Reviews – Prof. Laferton im Gespräch
https://jamanetwork.com/journals/jama/pages/jama-clinical-reviews